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[1] Packen wir es an! Ja, Sie und ich.

Diese Texte sind a) für Menschen geschrieben, die selbst anpacken wollen. Lange genug haben wir die Klimagefahr den Politikern, Experten und Gegen-Experten überlassen. Nun schwillt sie an und wird zum Riesenproblem für unseren Wohlstand, unsere Demokratie, den Frieden, das Leben unserer Kinder, für unser eigenes Leben.

b) Das Klimaübereinkommen von 2015 in Paris wird unsere gesamte Wirtschaft umkrempeln, oder unsere Lebensweise wird scheitern. Trotzdem wissen viele Menschen in Deutschland nur ungefähr, was los ist. Auch für sie ist dies geschrieben: Menschen, die Bescheid wissen wollen, um handeln zu können.

c) Denn im Grunde ist es einfach: Woraus die Klimagefahr besteht, was sie verursacht hat, warum es jetzt sehr dringend ist.

d) Wissen Sie, was Sie tun können? In meinen Seminaren sammle ich gerne Ideen. Dann hängen Stichworte an der Pinnwand wie Energiesparlampen, Recyceln, Regionale-Produkte-bevorzugen, Weniger-Fliegen. Aber gegen die Klimagefahr richten solche „Gut-für‘s-Klima“-Vorsätze leider nichts aus.
Was passieren muss, ist im Grunde einfach: Die Politik setzt den Rahmen damit Wirtschaft und Bürger endlich das tun können, was fürs Land gut ist und die Klimagefahr abwehrt. Dies pasiert, aber nicht schnell genug, und hier sind wir gefragt. Nicht als Wähler, sondern als Gesprächspartner für Abgeordnete, für Mitarbeiter in den Ministerien, für Minister, Staatssekretäre bis zur Spitze.

Deswegen habe ich Grundlagen zur Klimakrise hier knapp und verständlich zusammengefasst. Auch schmunzelnd, Katastrophismus hilft ja auch nicht mehr weiter.

Inhalt:

1. Klimagefahr: Warum gibt es überhaupt ein Problem? Nicht, weil es zu viele Menschen gibt, weil wir über unsere Verhältnisse leben, weil Rinder furzen. Aber auch.
2. Klimagefahr Ursachen: Neues CO2 und schädliche Gase. Die Bedrohung in Zahlen: Wie ernst ist es? Wieviel Zeit bleibt?
3. Klimagefahr Lösungen: Notbremse ziehen – Kohlenstoff muss im Boden bleiben. Warum Energiesparen noch nicht Klimaschutz ist. Was verlangen uns die Klimaziele von Paris wirklich ab?
4. Klimagefahr Vernebler, Leugner, Trump und Superreiche: Die Ölkonzern-Eigner wissen es schon seit über 40 Jahren und haben vorgesorgt, haben aber uns hinters Licht geführt. Von Klimaleugnern, Fake News, Trump.
5. Klimagefahr – was tun und wie? Hierfür müssen wir kämpfen! Engagement: Selbst aktiv werden mit Lobbyarbeit – Ran an den Bundestag! Und mehr…

[2] Was mich persönlich antreibt, ist…

Klima-Erfolge machen Spaß!

Im Sommer 2016 stimmten alle Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus (CDU, SPD, Linke, Grüne, Piraten) dafür, mit dem Geld der Pensions-Rücklagen für Berliner Beamte nicht länger die Atmosphäre zu vergiften. Es wurde aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie abgezogen. Das Ziel der jungen Initiative „Fossil Free Berlin“ war erreicht, bei der ich mitgewirkt hatte. Mein Part waren die vielen Gespräche mit Abgeordneten aller Fraktionen, um zu überzeugen. Meine Erfahrungen waren ermutigend gewesen, ohne Ausnahme. „Die Politik“ war gar nicht so unzugänglich, im Gegenteil.

Über mich:

Was mir geholfen hat, war mein umfassendes Wissen über die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Geld und Klima. Als Dozent in der Erwachsenenbildung habe ich mich auf Klima und Gesellschaft konzentriert. Ich habe jahrelang die Arbeiten zur Klimagefahr von Journalisten, Wissenschaftlern und anderen klugen Köpfen zusammengetragen und ausgewertet. Die Zusammenhänge zu sehen half mir meine soziologische Ausbildung.
Dabei trieb mich die Vision einer Welt, in der unsere Zivilisation sicher eingebettet ist und in der unsere Wirtschaftsweise nicht weiter über die Grenzen dieses Planeten hinweg wuchert. Zerstörung an den Grenzen zur intakten Natur hatte ich in den 90er Jahren (ich war Tropenwald-Fachreferent bei Robin Wood) mit eigenen Augen genug gesehen: Bulldozer im Regenwäldern, Bergwerksschlamm in Gebirgsflüssen. Viel von der Kraft und Schönheit dieser Landschaften ist heute verödet.
Was mich heute treibt: Ich habe Kinder und ich sehe deren Zukunftschancen versickern. Die Gefahr ist viel größer, als die meisten glauben. Aber auch die Lösung ist näher, als die meisten glauben. Wir brauchen heute jeden klugen Kopf und jedes gute Herz. Wir müssen unser demokratisches System nutzen, das wir noch haben, und die wenige Jahre nutzen, die wir noch haben, und JETZT HANDELN.

[3] Klimawandel: halb so wild, alles beherrschbar?

„Klimawandel“ – ist das nicht ein recht konstruiertes Problem? Mal ist der Sommer zu heiß, mal gibt’s keinen Schnee im Winter, mal stürmt es –das gab‘s früher auch schon. Klimawandel? Jetzt doch nicht. Vielleicht 2100. So redeten nicht nur die Herrschaften vom Bürgerverein (siehe [2] „Hitze in der Green City“: Freiburg 2013), so redeten meine Nachbarn und meine Kollegen in Freiburg. Ich arbeitete damals bei einem Freiburger Bauprojektentwickler und leitete Bauherrengruppen, die gemeinsam ein Passivhaus planten – die also ein Bewusstsein für das Klimaproblem haben sollten. Dachte ich. Die grüne Pionierphase war in Freiburg zu diesem Zeitpunkt aber schon vorbei. Passivhausstandard galt inzwischen als normal, und jetzt bauten die Leute, die etwas „werthaltiges“ haben wollten. „Klima“ war ihnen herzlich egal.

Ich kam mir mit meiner Klima-Besorgnis also recht exotisch vor. Da das Ende der Firma meines Arbeitgebers bereits dämmerte, hatte ich mich schon nach einer neuen Aufgabe umgeschaut und das Thema „Anpassung an den Klimawandel“ entdeckt (das mich schließlich auch in die Mooswalder Bürgerversammlung geführt hatte). Hier schien es Bedarf an sinnvoller gesellschaftlicher Arbeit zu geben, die von der Bundesregierung auch bezahlt wurde. „Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel“ hieß das Programm des Umweltministeriums. Es winkten 200 000,- Euro für zwei Jahre. Ich wollte zusammen mit einem Freiburger Institut ein Bildungsangebot für Kommunen entwickeln.

Dies führte mich auf eine Reihe von Fachkonferenzen und an besondere Orte:

  • Das Climate Service Center in Hamburg, das sich auf Anpassung an den Klimawandel („Klimaanpassung“) in Deutschland konzentrierte und im vornehmen Chilehaus in Hamburg residierte.1
  • Das Potsdamer Institut für Klimaforschung, das die Destabilisierung des Klimas erforschte und Maßnahmen dagegen („Klimaschutz“).2
  • Das Verkehrsministerium in Berlin, dem damals noch der Bereich Bauen und Stadtentwicklung zugeordnet war3; es widmete sich der Politik einer Anpassung an ein anderes Klima. Hierzu hatte es gleich vier Forschungsförderungsprogramme aufgelegt4 und veranstaltete nun Konferenzen mit Namen „StadtklimaExWoSt“5 und „Klimawandel in Stadt und Region“ 6 .

Auf diesen Konferenzen erklärten eifrige Wissenschaftler die überladenen Poster ihren Förderern aus dem Ministerium: „Immobilien- und wohnungswirtschaftliche Strategien und Potenziale zum Klimawandel“ und „Risikoabschätzung der zukünftigen Klimafolgen in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft“, und wie die Forschungsvorhaben alle hießen. Es spielte das Trio „Jazz à la carte“, oder das Kabarett „Wurscht und Wichtig“. Ein Fotograf dokumentierte fleißig.

Im Großen und Ganzen gingen die Fachleute in dieser „Anpassung-Community“ von Szenarien aus, in denen die Sommer trockener und periodisch viel heißer sein würde. Im Winter regnete es dafür mehr. Es würde früher Frühling, aber auch Blüten-vernichtende Spätfröste geben. Dazu ab und zu eine Sturzflut und einen Orkan. So die Prognose für die meisten Gegenden Deutschlands, auch für Südbaden. Dann hätten die Älteren ein Problem mit der Hitze, Ärzte mit Malaria und Denguefieber, Winzer mit Schildläusen und Mönchszikaden, Gemüsebauern mit Spätfrösten und Hitzeschäden in Gewächshäusern, die Gemeindeverwaltungen mit vollgelaufenen Kellern, Hausbesitzern mit Wertverlusten, wenn die neuen Hochwassergefahrenkarten mal jemand ernst nimmt, Industriegebiete mit Flutschäden, die Kraftwerke mit zu wenig und zu warmem Fluss-Kühlwasser, Wuppertal mit Sturzfluten von den Hängen, die ein Auto die Straße hinunter spülen könnten wie eine Zigarettenkippe in der Toilettenschüssel, und die Skihotels im Schwarzwald bauten ohnehin schon Wellnessbereiche an.

Probleme hätten also eigentlich alle. Aber dagegen kann man was tun: ein Rückhaltedamm hier, eine neue Weinsorte dort und der Königsweg für die Stadt sind bewirtschaftete Grünflächen, die die Hitze dämpfen. Alles beherrschbar.

So mancher Beamte, mit dem ich in den Fluren oder beim Buffet plauderte, hielt das Klimaproblem auch für gar keines. Bei einer Regionalkonferenz zur Klimaanpassung in Karlsruhe kam ich in der Pause mit einem Stuttgarter Abteilungsleiter ins Gespräch, der sich aufregte: „Klimaerwärmung? Wenn die kommt, dann häng ich sofort meine Stelle an den Nagel, kauf einen Eiswagen und mach mich selbständig“, sein Programmheft landete auf dem Boden, „Sinnvoller, als hier rumzustehen. Tu ich nur, weil sie mich hinbeordert haben. Das ist doch alles Quatsch.“

Und genau dies ist beim Klimawandel – es hat sich noch nicht mal ein angemessener Namen dafür durchgesetzt7 – das Problem. Man nimmt ihn nicht wahr, man nimmt ihn nicht ernst. Es gibt ihn in der Zeitung, es gibt ihn im Fernsehen. Im Netz findet man viel Richtiges und auch viel Falsches, die Lage ist so verwirrend, dass nicht einmal führende Politiker unseres Landes durchblicken8.

Es ist Zeit, das aufzudröseln. Ich fange bei ein paar Grundbegriffen an: Wetter – Klima – Klimawandel.

Weiterlesen: [4] Orkan und Sintflutregen: Klimawandel oder einfach Wetterpech?


1. GERISC, wohl das renommierteste, was Deutschland auf diesem Gebiet hat.

2. PIK, wohl das renommierteste, was Deutschland auf jenem Gebiet hat.

3. „BMVBS“. Im Dezember 2013 verlor das Bundesministerium für Verkehr den Bereich Bau und Stadtentwicklung „BS“ an das Umweltministerium (und bekam dafür die Digitale Infrastruktur „I“; neu also BMVI).

4. StadtKlimaExWoSt, ImmoKlimaExWoSt, ImmoriskExWoSt und KlimaMORO. ExWoSt = Experimenteller Wohnungs- und Städtebau, MORO = Modellvorhaben der Raumordnung.

5. „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung in der Praxis. Ergebnisse aus dem ExWoSt-Forschungsschwerpunkt StadtKlima“, Oktober 2012.

6. Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (2014): Klimawandel in Stadt und Region – Ergebnisse aus den Forschungsfeldern ImmoKlima/ImmoRisk, StadtKlima ud KlimaMORO. Dokumentation Klimakonferenz 2014.

7. Klimawandel ist ein viel zu schwaches Wort, aber leider eingeführt. „Climate Breakdown“ schlägt der britische Journalist George Monbiot vor. Wie übersetzen? Klimachaos – nicht seriös, Klimakollaps, Klimakatastrophe – schlicht falsch, die Verschlechterung ist ja schleichend. Ich bemühe mich ab jetzt, angemessenere Begriffe zu verwenden.

8. Die Verhandler und Verhandlerinnen der Grünen Partei bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen äußerten sich entsetzt, dass sie anderen Spitzenpolitikern grundlegende Erkenntnisse der Klimawissenschaft noch erklären mussten (persönliche Information).

[4] Orkan und Sintflutregen: Klimawandel oder einfach Wetterpech?

Die Begriffe Klima und Wetter werden gerne verwechselt, was immer wieder zu Missverständnissen führt (Gefragt nach Klimawandel, brachte Donald Trump es mal kurz und falsch auf den Punkt: „Es wird kälter, es wird wärmer: man nennt es Wetter“1)

Was ist Wetter?

Was wir wahrnehmen, sind beeindruckende Wetterereignisse wie Regengüsse wie im 2017er Sommer, die Berlins Keller fluteten, es sind Orkane wie Wiebke 1990, Lothar 1999, Andrea 2012 (alle über 270 km/h). Das sind Wetterereignisse und es gab sie natürlich immer schon.

  • Ein Windsäuseln, ein Böe, ein Orkan: Das ist Wetter.
  • Schauer, Wolkenbruch, sintflutartiger Dauerregen: ist Wetter.
  • Sommersonne, Schwüle, Hitzewelle: Wetter.
Unwetter ist nicht Klimawandel. Aber Klimawandel verstärkt manches Unwetter (Tagelanger Dauerregen in Berlin-Frohnau, 29. Juli 17)

Das Umweltbundesamt definiert: „Wetter ist der physikalische Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem Gebiet zu einem bestimmten Zeitpunkt oder in einem kurzen Zeitraum von Stunden bis hin zu wenigen Tagen.“2 Wikipedia: „Ein spürbarer, kurzfristiger Zustand der Atmosphäre.“ 3

Was ist Klima?

Klima ist das Durchschnittswetter über einen langen Zeitraum, 30 Jahre oder mehr.

Wetter ist unmittelbar, und wir reagieren unmittelbar darauf. Wir ziehen uns warm an, wir nehmen einen Regenschirm mit oder sagen einen Ausflug ab. Aber Klima? 30 Jahre im Voraus planen wir keine Ausflüge. Wir wissen nicht einmal, wo in 30 Jahren wir leben werden und ob. Über einen so langen Zeitraum denken wir allenfalls bei der Rentenerwartung nach.

Der für den Menschenverstand entscheidende Unterschied ist die Zeitspanne. Klima können wir nicht begreifen, es bleibt noch abstrakter als „Umwelt“. So motiviert uns das Wort „Klimaschutz“ kaum zum Handeln (Machen das nicht schon die Klimaschützer, Umweltschützer, Politiker?).

Das Umweltbundesamt definiert: „Klima ist der mittlere Zustand der Atmosphäre an einem bestimmten Ort oder in einem bestimmten Gebiet über einen längeren Zeitraum. Als Zeitspanne empfiehlt die Weltorganisation für Meteorologie (WMO – World Meteorological Organization) mindestens 30 Jahre“4


1. Donald Trump im Wahlkampf 2016, https://youtu.be/Mdqc27I7HGA

2. Umweltbundesamt, https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-ist-eigentlich-klima abgerufen 24. September 2017

3. Hält das Wetter etwas länger an, heißt es Witterung. Dies der Vollständigkeit halber.

4. Umweltbundesamt, http://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/was-ist-eigentlich-klima, abgerufen 24. September 2017

[5] „Klimawandel“ erklärt mit einer Sandburg

Wie erkläre ich „Klimawandel“? Im letzten Urlaub an der Ostsee kann mir eine Idee. Meine kleine Tochter baute eine Sandburg. Besonders reizvoll war das dort, wo die Wellen manchmal gerade so noch hinkommen. Sie war nicht die einzige mit dieser Idee; ging man abends am Strand entlang, war der Rand gesäumt von Sandkunstwerken. Am nächsten Morgen war ein Großteil wieder verschwunden; ein wenig Ebbe und Flut hatte die Ostsee nämlich doch.

Meine Tochter baute also dort, wo die Wellen ab und zu noch hinkamen. Dann musste sie ihre Burg gegen diese Wellen verteidigen, die ab und zu einen Teil wegspülten. Das musste sie natürlich sofort reparieren, und so war sie beschäftigt, eine ziemlich lange Zeit. Währenddessen kam die Flut.

Wellen stehen für Extremwetterereignisse, auflaufendes Wasser für Klimawandel, eine Sandburg steht für die Welt, die wir uns erschaffen haben.

Allmählich, unmerklich für sie, wurden die Wellen stärker. Sie rollten höher an und überspülten immer häufiger immer größere Teile ihrer Burg. Ihre Reparatur-Aktionen wurden hektisch. Irgendwann schmiss sie die Schaufel hin, und wir gingen Pommes essen.

Da fielen mir die Schuppen von den Augen: Das war der anschauliche Vergleich, wie ich ihn gesucht hatte! In drei Schritten:
a) Die Burg steht für unsere Zivilisation. Teile davon sind jetzt schon besonders verletzlich, „vulnerabel“ 1 gegenüber einer Klimaverschlechterung: Orte in Flussauen, Siedlungen am Wüstenrand, Küstenstädte zum Beispiel.
b) Die Wellen stehen für Extremwetterereignisse: tagelange Regengüsse, jahrelange Dürren, Hurrikane, Taifune, Orkane. Es gab sie seit Menschengedenken und die Menschen wurden mit ihnen fertig. Aber irgendwann werden sie es nicht mehr:
c) Die auflaufende Flut ist der Klimawandel. Er kommt unmerklich, er bringt vielleicht nicht häufiger Regen, Dürre, Hitze und Sturm, aber stärker, ganz allmählich. Auf der Hand liegt das Bild beim Meeresspiegelanstieg. 2,9 mm steigt das Meer im Jahresdurchschnitt. Das ist wenig, und in manchen Jahren sank es sogar wieder. Aber gemessen über zum Beispiel 30 Jahre, die es braucht, um eine Klimaveränderung zu attestieren, kommt natürlich schon was zusammen. Heute, 2018, sind es schon etwa 23 cm an der US-Ostküste, die das Meer insgesamt gestiegen ist. New Orleans (Hurrikan Katrina Aug. 2005), New York (Hurrikan Sandy, Okt. 20122), und Boston (Cyclon Grayson, Jan. 20183) wären ohne diese extra 23 Zentimeter glimpflicher davongekommen.

Ein Dammbruch liefert spektakuläre Bilder für die Tagesthemen. Unter der Aufmerksamkeitsschwelle der Medien sind die vielen kleinen Überschwemmungen; immer ein bisschen schlimmer, bis zur Unerträglichkeit. Und diese einzugestehen stellt Hausbesitzer an der US-Ostküste vor eine harte Entscheidung.4

So schlicht: Wellen stehen für Extremwetterereignisse, auflaufendes Wasser für Klimawandel, eine Sandburg steht für die Zivilisation, die wir uns erschaffen haben.


1. Vulnerabel ist ein Begriff aus der Klimaanpassungsforschung, gemeint ist verletzlich gegenüber Klimaveränderungen. Dazu gehören nicht nur gefährdete Standorte, sondern auch mangelndes Vermögen, mit Schäden umzugehen.

2. http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Aktueller_Meeresspiegelanstieg. In New York machte Meeresspiegelanstieg den Unterschied: Hurrican Sandy überflutete die 9/11-Memorial-Baustelle. Al Gore hatte dies in seinem Film „Eine unbequeme Wahrheit“ 2007 vorausgesagt. In seiner Fortsetzung 2017 „Immer noch eine unbequeme Wahrheit“ reibt er es seinen Kritikern unter die Nase.

3. Über den Zyklon „Greyson“, der mit Eis vermischtes Salzwasser in Bostons Innenstadt spülte, Autos ruinierte und Container davonschwemmte, schrieb Erika Spanger-Siegfried von der Union of Concerned Scientists, zeigte dramatische Bildern und listete Gründe auf: 4 Key Questions About the Surprising Winter Storm Grayson. https://www.ecowatch.com/winter-storm-grayson-2523638343.html abgerufen 26.1.18

4. When Rising Seas Hit Home: Hard Choices Ahead for Hundreds of US Coastal Communities (2017). Artikel über die Unerträglichkeitsschwelle, mit der sich Küstenorte wie in Charleston, Galverston, Cape May und hunderte andere konfrontiert sehen. http://www.ucsusa.org/global-warming/global-warming-impacts/when-rising-seas-hit-home-chronic-inundation-from-sea-level-rise#.WXPDG6ApCBY, abgerufen 25. Juli 17

[6] Stürme, Dürren, Sintflut, Feuer – das war 2017

– Dieser Beitrag ist noch in Arbeit –

[7] Der Anstieg des Meeresspiegels ist erst mal nicht mehr aufzuhalten

Spielt uns die Antarktis einen Streich?

Dass auf dem Nordpolarmeer die Eisdecke schmilzt, ist bekannt. Aber dies lässt den Meeresspiegel ebenso wenig steigen wie die schmelzenden Eiswürfel im Glas den Whiskeyspiegel. Liegt das Eis jedoch auf festem Grund wie auf Grönland, der Antarktis oder in Gebirgen und rutscht ins Meer, ist das, wie wenn man zusätzlich Eiswürfel ins Whiskeyglas schüttet: Der Spiegel steigt.1

Mit abbrechenden Eisbergen in Grönland werden seit Jahren Klimaberichte im Fernsehen bebildert. Auch die Vorher-Nachher-Fotos von geschrumpften Gebirgsgletschern sind wohlbekannt.

Weniger bekannt ist, welche Gefahr die Gletscher am Südpol, auf dem antarktischen Festland bergen.

Die Antarktis wird zurzeit stellenweise zwar eher kälter, mancherorts schneit es auch mehr. Ein antarktischer Gletscher schmilzt also nicht an der Oberfläche, wie seine Kollegen in Grönland. Wie bei jedem Gletscher ist sein Eis unten durch den gewaltigen Druck aber gleitfähig. So strebt er Richtung Meer. Dort wirkt das Schelfeis, das auf dem Meer vorgelagert ist, offenbar wie ein Korken auf der Flasche und verhindert, dass der Gletscher ins Meer rutscht (und spektakulär ‚kalbt‘, wie in Grönland).

Man hat nun neulich herausgefunden, dass dieses Schelfeis von unten angeknabbert wird, nämlich vom erwärmten Meerwasser. Das Wasser der Ozeane hat bisher den größten Teil – 90 Prozent – der weltweiten Erwärmung geschluckt, und das hat nun Konsequenzen. Das vorgelagerte Schelfeis ist an manchen Stellen schon recht morsch und es kann passieren, dass gigantische Dinger ins Rutschen kommen.2 Der Meeresspiegel könnte ein wenig hüpfen. Dies gilt vor allem für die West-Antarktis (die Landzunge gegenüber Argentinien). Nun hat man den Effekt auch in der Ostantarktis entdeckt.3

Die Ozeane dehnen sich aus – jahrhundertelang

Doch auch ohne dies ist der Anstieg des Meeresspiegels erst einmal nicht mehr aufzuhalten. Zusätzlich zum Schmelzwasser aus Gebirgsgletschern und vor allem von Grönland erwärmen sich nämlich in den Ozeanen große Wassermengen. Dabei dehnen sie sich aus.4 Dies macht bis in die 90er Jahre etwa die Hälfte des Anstiegs aus, seither haben Grönland, Gebirgsgletscher und Antarktis überholt. Diese Wassererwärmung und -Ausdehnung geht immer weiter, auch, wenn die Erwärmung unter zwei Grad bleibt, denn die unteren Schichten der Weltmeere, der allergrößte Teil, haben sich ja noch gar nicht erwärmt und ausgedehnt. Sie werden das aber nach und nach tun5. Es sei denn, man kühlt die Erde wieder herunter. Das geht, siehe [XX] „Negativemissionen“ (noch zu schreiben).

Noch ist der Trend aber ein anderer: Die Durchschnittstemperaturen steigen, und so erwärmt sich auch das Meerwasser immer schneller.6


1. Man nennt dies „eustatischen Meeresspiegelanstieg“. Siehe Ursachen des aktuellen Meeresspiegelanstiegs, http://wiki.bildungsserver.de/klimawandel/index.php/Ursachen_des_aktuellen_Meeresspiegelanstiegs#cite_note-Chen_2017-4, abgerufen 12.2.18

2. Wie so etwas aussieht, zeigt ein beeindruckender Film, das ein Kamerateam 2008 in Grönland aufgenommen hat. Vier Minuten aus dem Film „Chasing Ice“: https://www.youtube.com/watch?v=hC3VTgIPoGU In der Westantarktis (bei Argentinien) ruht der kilometerdicke Eispanzer zudem auf Felsen, die unter dem Meeresspiegel liegen. Hier unterhöhlt das erwärmte Wasser das Eis wie Karies den Backenzahn.

3. Welt (27.09.2017) Nächster Eisberg weggebrochen – Forscher fürchten Korken-Effekt https://www.welt.de/wissenschaft/article169087681/Naechster-Eisberg-weggebrochen-Forscher-fuerchten-Korken-Effekt.html, abgerufen 12.2.18

4. Dies nennt man „sterischen Meeresspiegelanstieg, s.o., „eustatischer Meeresspiegelanstieg“

5. Die Erwärmung betrifft bis jetzt vor allem die oberen 100 m der Ozeane. Es gibt aber zwei Stellen auf dem Planeten, wo erwärmtes Wasser in der Tiefe versinkt und dann eine tausendjährige Reise auf dem Grund der Meere antritt: Im Südpolarmeer und vor Europas Küsten: der Golfstrom, der im Nordatlantik versinkt. Es kommt dann um das Jahr 3018 herum im nördlichen Pazifik wieder hoch.
Dies heißt „Große Thermohaline Zirkulation“. Schön erklärt hier: Klimafaktor Golfstrom, https://www.youtube.com/watch?v=sbSl_xybcJ0, schön visualisiert hier: Die thermohaline Zirkulation in 3D, https://www.youtube.com/watch?v=Fvuc2TScauw, beide abgerufen am 12.2.18.

6. Hier sind sich die Forscher unsicher, weil sie das brüchige Eis der Antarktis nicht einschätzen können. Doch allgemein heißt es: 50 Zentimeter Anstieg bis 2050, 2 Meter bis 2100. Wie es weiter geht, kann sich nun jeder selbst ausrechnen: Es ist ein exponentielle Anstieg, alle 50 Jahre kommt das Doppelte oben drauf. So wären es 2150: 6 Meter, 2200: 18 Meter (Tschüss Hamburg, 6 m. Aber vielleicht hält der neue Deich ja noch ein paar Jahre), 2250: 54 Meter (Tschüss, Berlin, 34 m). Es sind 80 Meter, die das Eis auf der Erde die Meere steigen lässt, wenn alles geschmolzen ist. Danach geht es (langsamer) weiter, über Jahrtausende, bis alles Wasser aufgewärmt ist und sich ausgedehnt hat. Zur Orientierung: Jetzt sind es 23 Zentimeter an der US-Ostküste; im Norden sind es weniger, in der Südsee mehr.

[8] Wird es bei uns in Europa wärmer oder kälter?

Die Klima-Hirtenhunde tanzen aus der Reihe

Der polare ‚Jet-Stream‘ ist eine tolle Sache. Das ist ein Windgürtel, der in großen Höhen um die Arktis wirbelt1. Der Jet-Stream treibt die Hoch- und Tiefdruckgebiete auf der Nordhalbkugel von West nach Ost, und er hält im Winter die eisige Polarluft zuverlässig an Ort und Stelle wie ein Rudel Hirtenhunde die Schafsherde. Besser gesagt, er tat das, solange er durch den großen Temperaturunterschied zwischen heißen Tropen und kaltem Polarwinter stabilisiert wurde. Leider gehört gerade die Nordpolarregion zu den Gegenden, die sich auf dem Planeten am schnellsten erwärmen. Da jetzt der Unterschied zwischen heißen Tropen und kalter Arktis immer geringer wird, schwächelt auch der Jet-Stream2. Die Hirtenhunde tanzen gewissermaßen aus der Reihe. Dann lässt ein Schwall Polarluft in Kanada und dem Norden der USA den Frost klirren, wie im Winter 2017/18. Oder bei uns, wie im Frühjahr 2017, als es späte Frosteinbrüche gab, die gebietsweise verheerend wirkten, weil die Klimaverschiebung den Frühlingsanfang bei uns ja schon um zwei bis drei Wochen vorverlegt hat. Die Weinstöcke meines Schwagers bei Heidelberg verloren so ihre ersten Triebe komplett und die Ernte fiel später so spärlich aus, dass bei Schwiegervaters Geburtstag Anfang 2018 zum ersten Mal bei einem Familienfest gekaufter Wein ausgeschenkt wurde.

Im Polarmeer lauert eine eiskalte Überraschung

Übrigens schmilzt das Arktis-Warmwetter auch die Grönlandgletscher, und der deshalb anschwellende Süßwasserzufluss schwächt den Golfstrom.
Außerdem verhält sich der Beaufort-Gyre (Beaufortwirbel) im westlichen Polarmeer zwischen Ostsibirien, Alaska und Grönland auffällig. Das rotierende Wasser dreht sich normalerweise im Uhrzeigersinn und sammelt Eis und Süßwasser aus Flüssen und Gletscherschmelze, bis der Wirbel ab- und zu kurz seine Richtung ändert und dieses Eiswasser wieder ausspuckt. Das ist ähnlich wie die Mischtrommel bei der Ziehung der Lottozahlen, sie wird kurz andersherum gedreht und wirft dann die nächste Kugel aus. Seit 1992 beschleunigt sich der Beaufortwirbel unerwartet, seit 2000 noch stärker. Das ist ein Effekt der Arktis-Erwärmung, denn die Eisfläche löst sich auf und zerbricht, und Eisschollen mit Wasser dazwischen geben den Stürmen mehr Angriffsfläche, die den Wirbel antreiben. Er hat dadurch mehr eisiges Süßwasser angesammelt als normal. Irgendwann demnächst wird sich der Wirbel wieder einmal andersherum drehen, diese besonders große Eiswassermenge in den Nordatlantik entleeren und den Golfstrom noch mehr durcheinanderbringen. Dann brechen bei uns frostige Zeiten an.3

Werden unsere Winter in Deutschland klimabedingt bald wärmer? Hier könnte es eiskalte Überraschungen geben, folgenschwerer als Spätfrost im Frühsommer.

Dies übrigens in Spanien, Portugal, Südfrankreich, Italien, Griechenland anders. Dort wird es heißer, und Trockenheit wird im Sommer immer häufiger zum Problem. Hierin sind sich die Klimaforscher ziemlich sicher. 2017 gaben Wassermangel in Rom4 und die gewaltige Waldbrandsaison in Portugal einen Vorgeschmack (siehe [6] Stürme, Dürren, Sintflut, Feuer – das war 2017)


1. Jet Stream ausführlicher erklärt (Englisch): The National Weather Service (USA) http://www.weather.gov/jetstream/jet abgerufen am 12.2.18

2. Der Jet Stream mäandert stärker. Seine Windungen bleiben auch längere Zeit an Ort und Stelle als früher, und so schiebt er auch die Großwetterlagen langsamer voran (Regenfronten, Hitzewellen etc.). Das Wetter bleibt dann über Wochen „hängen“, wie wir in Deutschland in den letzten Jahren beobachten konnten. Ausführlich erklärt in diesem Guardian-Artikel (Englisch): John Abraham (7.4.17): New study links carbon pollution to extreme weather, https://www.theguardian.com/environment/climate-consensus-97-per-cent/2017/apr/07/new-study-links-carbon-pollution-to-extreme-weather?CMP=Share_iOSApp_Other, abgerufen am 12.2.18

3. Ed Struzik (11.12. 2017) How a Wayward Arctic Current Could Cool the Climate in Europe, http://e360.yale.edu/features/how-a-wayward-arctic-current-could-cool-the-climate-in-europe, abgerufen 10.2.18

4. FAZ/ Jörg Bremer (29.08.17) Anhaltende Trockenheit: Rom muss nachts den Wasserdruck reduzieren http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke/rom-anhaltende-trockenheit-zwingt-zu-wasserdruck-reduzierung-15174033.html, abgerufen 12.2.18

[9] Syrien, der Krieg und das Klima

In einigen Medien hieß es, der Klimawandel hätte den Syrienkrieg ausgelöst. Stimmt das?

Der syrische Staat betrieb eine Landwirtschaftspolitik, die auf Maschinen setzte, viel Wasser brauchte und Kleinbauen und Hirten in Bedrängnis brachte. 2006 begann im Nordosten Syriens eine Dürre. Sie dauerte lang, bis 2010. Zu lang für Kleinbauen und Hirten, um sie durchstehen zu können. Der Staat half ihnen nicht. Mehr und mehr gaben auf und zogen in die Städte an der Küste. Dort wurde es eng. Verknappungen aller Art zerrten an den Nerven. Der „arabische Frühling“ bot dann einen Anlass für offene Proteste. Der Staat versuchte, sie niederzuschlagen, der Konflikt eskalierte.1

Ist die radikalisierte AfD eine Folge der Klimakrise?

In Deutschland sollen heute hunderttausende Geflüchtete aus diesem Krieg in unsere Gesellschaft integriert werden, was zwar bisher ganz gut gelingt.2 Doch die gesellschaftliche Wut darüber, von Flüchtenden überrumpelt worden zu sein, fand ihr Ventil und schwemmte 94 Abgeordnete einer neuen Partei in den Bundestag.

Ist die Alternative für Deutschland eine Folge der Klimakrise? Sind die syrischen Familien, die hier nun leben, Klimaflüchtlinge? Eindeutig ist es nicht. Dürren hat es auch vorher gegeben, nur dass diese so lange dauerte, könnte man der Klimaerwärmung zurechnen.

Das instabile Klima verschärft zunächst einmal nur die Probleme, die vorher schon bestanden.


1. Diese knappe Darstellung folgt den Forschungsergebnissen von Dr. Christiane J. Fröhlich, Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, präsentiert am 11.2.2016: „Klima, Migration, Konflikt? Das Beispiel Syrien.“ http://www.deutsches-klima-konsortium.de/fileadmin/user_upload/pdfs/Veranstaltungen/2016_DKK_Vortrag_Froehlich.pdf

2. Diskussion mit Berliner Bürgern in der Diskussionsreihe „Integration im Dialog“ in Reinickendorf, Spandau, Köpenick, Charlottenburg, Lichtenberg, eigene Beobachtung.

[10] Tödliche Hitze in Europas Nachbarländern

Als ich 1989 in Ägypten aus einer DDR-Interflug-Maschine stieg, schlug mir eine Luft entgegen, wie ich sie nicht kannte. Nach ein paar Tagen in Kairo hielt ich es nicht mehr aus. Nicht wegen der Hitze und dem Gestank nach Müll, Abgas und verbranntem Gummi. Sondern wegen dem Staub. Ich trug damals Kontaktlinsen. Schon Zuhause in Berlin zwang mich ein Staubteilchen immer mal wieder, eine Linse hastig aus dem Auge zu schieben. Das passierte alle paar Tage. Hier passierte es stündlich. „Muss an der Sahara liegen“, vermutete ich.

Zurück in Deutschland kam mir das etwas weit hergeholt vor. Jetzt fiel es mir wieder ein, als ich unter der Überschrift „Dem Orient droht ein Klima-Exodus“ in einer Presseinformation des Informationsdienst Wissenschaft vom 29. April 2016 las1:

„Das Forscherteam hat kürzlich … Ergebnisse zur steigenden Feinstaubbelastung im Nahen Osten veröffentlicht. Demnach hat diese seit Anfang des Jahrhunderts in Saudi-Arabien, im Irak und in Syrien bis zu 70 Prozent zugenommen. Sie ist vor allem auf vermehrte Sandstürme aufgrund zunehmender Dürre zurückzuführen.“ Also war es doch die Sahara, dachte ich.

Tödlich ab 35 Grad „Wet Bulb“-Temperatur

Weiter: Ägypten, Nordafrika und der nahe Osten leiden nicht nur unter Dürre und Staub. Anders als in den meisten anderen Weltregionen werden im Nahen Osten und Nordafrika nicht die Winter, sondern die Sommer heißer. Schon Mitte des Jahrhunderts wird an 80 Tagen im Jahr das Thermometer mittags auf 50 Grad steigen und nachts nur auf 30 Grad sinken – Mitte der 2010er Jahre passiert das nur an 16 Tagen. Es wird zehn Mal so viele Hitzewellen geben wie heute. Und das sogar, wenn Staaten den CO2-Ausstoß drosseln, so dass er schon 2040 wieder abnimmt.2

Nun ist trockene Hitze in der Wüste mit ausreichend Wasser und richtiger Kleidung auszuhalten; Tuareg und andere Kulturen machen es vor. Gleichzeitig wird aber die Luftfeuchtigkeit steigen. Dies führt zu einem noch recht unbekannten Phänomen: Menschen überleben Hitze ab einer gewissen Luftfeuchtigkeit nicht. Schwitzen reicht nicht mehr aus, es hilft auch nicht, sich mit Wasser zu übergießen, denn die Verdunstung ist zu schwach, um den Körper ausreichend zu kühlen. Der Kreislauf kollabiert, Tod ist die Folge. Dies passiert, wenn ein Körper durch Verdunstung nicht mehr auf unter 35 Grad gekühlt werden kann – die Wet Bulb Temperatur.3

So werden mit den Jahren immer mehr Gegenden in Nordafrika und im Nahen Osten unbewohnbar.4 Eine andere Untersuchung sagt dies übrigens auch für dicht besiedelte Teile Indiens voraus.

Wohin werden die Menschen dort ziehen? 5


1. Die Presseinformation von Susanne Brenner (29. April 16) „Dem Orient droht ein Klima-Exodus“ findet sich hier: http://www.deutsches-klima-konsortium.de/fileadmin/user_upload/pdfs/Veranstaltungen/2016_DKK_Vortrag_Froehlich.pdf

2. Während ich dies im Mai 2016 schreibe, braust vor dem Fenster ein bulliger VW-Amarok vorbei, und über dem Berliner Braunkohlekraftwerk Klinkenberg wabert der Kondensdampf.

3. 35 Grad ist die kritische Schwelle der „Wet Bulb“ Temperature WBT, auf Deutsch Kühlgrenztemperatur. Die WBT gibt die Temperatur an, auf die ein Körper durch Verdunstung gesenkt werden kann. Dies hängt von der relativen Luftfeuchtigkeit ab: Je feuchter die Luft, desto weniger „bringt“ die Verdunstung. Im Web fand ich diese Berechnungshilfe: https://www.weather.gov/epz/wxcalc_rh (abgerufen am 6. Feb. 2018)

4. Die Autoren Panos Hadjinicolaou und Jos Lelieveld werden in der Pressemiteilung so zitiert: „Der Klimawandel wird die Lebensumstände im Nahen Osten und in Nordafrika weiter deutlich verschlechtern. Langandauernde Hitzewellen und Sandstürme werden viele Gebiete unbewohnbar machen, was sicher zum Migrationsdruck beitragen wird… Lelieveld und Hadjinicolaou sind sich darüber einig, dass … viele Menschen diese Region früher oder später verlassen könnten.“
‚Beitrag zum Migrationsdruck‘; Menschen ‚könnten‘ die Region verlassen; es ‚droht‘ ein Klima-Exodus: Leisetreterische Formulierungen wie diese tragen dazu bei, dass europäische Regierungen nicht vorausschauend handeln. Wenn Hunderttausende aus Syrien tatsächlich kommen, lassen sie dann hastig Drahtverhaue über die Fluchtroute spannen. (siehe [9] Instabiles Klima: Fluchtursache? Syrien). Warum kann man nicht Tachles schreiben: Das kommende Klima macht Regionen unbewohnbar, der Grund, dass Menschen fliehen werden.

5. The Guardian (2.8.17) Climate change to cause humid heatwaves that will kill even healthy people. https://www.theguardian.com/environment/2017/aug/02/climate-change-to-cause-humid-heatwaves-that-will-kill-even-healthy-people , abgerufen am 4.8.17