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4. Vernebler, Leugner, Trump und Superreiche

[14] „Hitze in der Green City“: Freiburg 2013

Es war ein schwüler Sommerabend, eine zerfaserte Wolkendecke drückte auf die Stadt, durch einen blauen Streifen über der Rheinebene fiel matt die Sonne. Ich schwitzte. Kein Blatt bewegte sich an den Bäumen im Park. Ich bog in die Straße Am Hägle und stellte fest, dass sie komplett zugeparkt war. Die Veranstaltung „Hitze in „Green City“ – Folgen einer nicht-klimagerechten Stadtentwicklung“ schien ein Renner zu sein. Ein Biometeorologe sollte über Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Freiburg referieren.
Ich schloss mein Fahrrad ab, betrat das Fritz-Hüttinger-Bürgerhaus und staunte. Sonst war Mooswald, eine Nachkriegs-Wohnsiedlung mit Einfamilienhäusern, nicht besonders reich, nicht besonders bemerkenswert, und ganz sicher nicht besonders Klimawandel-interessiert. Jetzt drängten sich gut 150 Personen im Saal. Sie hatten Sprudelflaschen vor sich stehen und Biergläser, und wer keine weißen Haare hatte, hatte sie gefärbt.
Erst sprach der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Freiburger Bürgervereine die Begrüßungsworte. Dann zeigte der Biometeorologe Fotos von Speiseeiswagen in Paris, in denen im Jahrhundertsommer 2003 wegen überfüllter Leichenhallen die Toten gelagert wurden, als am 12. August die Hitze die alten Leute zu Tausenden hinraffte. „Es bewegt sich kein Lufthauch. Stickoxide und Ozon sammeln sich. Nachts kühlt es nicht mehr ab. Wenn es so kommt, dann wird‘s gefährlich.“ Statistisch sei diese Hitzewelle für Deutschland ein 450-Jahres-Ereignis gewesen. „Aber auch ein Modellfall für die Zukunft. Nach 2070 wird hier ein Drittel der Sommer so heiß sein.“ 1
Die Fragerunde hinterher landete schnell beim „Höllentäler“, einem nächtlichen Sommerwind, der kühle Luft aus dem Schwarzwald durch Freiburgs Innenstadt pustet. Den Stadtteil Mooswald spart die Brise dabei aus. Im Sommer bekommt Mooswald allenfalls einen Hauch kühle Luft aus Nord-Nordost. Also vom Sportflugplatz her.
Dort plante die Stadtverwaltung das neue Fußballstadion.
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Die vielen Zeitungsartikel. Das erklärte den vollen Saal: Die lieben Leutchen hier fürchteten zugeparkte Seitenstraßen, grölende Fans nach Mitternacht und kopulierende Liebespaare hinterm Rhododendron. Darum ging es eigentlich, und da kam das Klimawandel-Argument gegen die Bebauung einer Frischluftschneise gerade gelegen.
„Es geht um die Gesundheit unserer Kinder und Enkel“, rief einer, und der Saal klatschte. Als sich aber einer als Bewohner des grünwählenden Stadtteils Vauban vorstellte und frage, ob man nicht mal aufs Auto verzichten sollte wegen Klimawandel, gab es ungläubiges Gelächter. Im Schlusswort stellte der Vorsitzende klar: „Zu Autofrei: Wenn das im Vauban gefällt, bitteschön. Wir hier wollen das nicht.“

Als ich vor die Tür trat, hatten sich die vielen PKWs in der engen Straße schon ineinander verkeilt. Einer hämmerte auf die Hupe. Ich murmelte „Besorgnis um Kinder und Enkel heucheln und munter weiter die Atmosphäre verpesten“ und schwang mich wieder auf’s Rad, Richtung grünwählendem Stadtteil Vauban, wo ich wohnte.

Das Gelächter der Herrschaften vom Bürgerverein wirft eine Frage auf: Ist das überhaupt ernst zu nehmen mit dem Klimawandel?

Weiterlesen: [3] Klimawandel: halb so wild, alles beherrschbar?


1. Vortrag Gerd Jendritzky am 15. Juli 2013: Im Sommer 2003 gab es vor allem in Paris vorzeitige Todesfälle, über 20 000; dort wurde das Problem telegen, als man die Leichen in Speiseeiswagen zwischenlagerte. In Baden Württemberg lag die Mortalitätsrate bei 2500 über dem Erwarteten. „Das sind harte Fakten“. Ansonsten sei Hitze ein „silent killer“.

[15] Reich, reich, reich und unerbittlich: Wie Koch-Brüder und Konsorten garantieren, dass Klimawandel nicht stattfindet

Trump ein Klimawandel-Leugner? Eher ein Klimawandel-Ignorant. Aber seine Kandidatur bringt einen dritten Aspekt der US-amerikanischen Klimawandel-Leugnerei zum Vorschein, wie Michael Tomasky analysiert.
1. Naomi Klein konstatierte nach ihrem Besuch einer Klimaleugner-Konferenz, dass es den Ideologen Morano, Horner, Michaels, Schmitt gar nicht ums Klima ging. Vielmehr fürchten sie, dass Klimawandel nur ein Vehikel für den Sozialismus ist (z.B. hier: The Nation (2011) Capitalism vs. the Climate).
2. Die #ExxonKnew Empörungswelle machte der US-Amerikanischen Öffentlichkeit klar, wie sehr sie jahrzehntelang vom größten Energiekonzern an der Nase herumführt worden waren: Die Klimaerwärmung stritt ExxonMobil mit großem Aufwand öffentlich ab. Gleichzeitig rechnete der Konzern sie bei seinen eigenen Investitionsplanungen heimlich schon mit ein.
3. Michael Tomasky schält nun mit „The Dangerous Election“ einen dritter Aspekt heraus: Die brutale Macht des klimaleugnenden Geldes über die Republikanische Partei.
Ich fasse hier die erste Hälfte seines Artikels vom März 16 in der New York Review of Books zusammen.

 Die Logik hinter Donald Trumps US-Präsidentschaftskandidatur und dem Elend der Republikaner
Tomasky beleuchtet den aktuellen US-Vorwahlkampf, der selbst etablierte Journalisten zum Staunen bringt. Wieso der elefantöse Trump? fragt er und antwortet: Es ist logisch, dass Trump  nach oben gespült wurde. Es ist das Ergebnis von Zwängen und der innerer Logik der Republikaner (der „GOP – Grand Old Party“).
So wie bei den Demokraten die soziale Gerechtigkeit seit Jahrzehnten das Kern-Anliegen ist, sind es bei den Republikanern „Werte und Dominanz des weißen Mannes“. Die Republikaner sind heute getrieben von der Angst vor Ausländern, die diese Werte nicht teilen. Sie haben Angst vor Muslimen, Mexikanern und anderen Latinos.
Trump bedient diese Kern-Angst gut: Muslime, Mexikaner und Konsorten deportieren! Hingegen sind Themen wie Steuern, Abtreibung, Irakkrieg eher zweitrangig. Man darf das nur nicht laut sagen. Trump tut es und rüttelt damit republikanische Dogmen und Tabus durcheinander. So beschuldigte er George W. Busch am 13. Februar 16, den Irakkrieg seinerzeit mit einer bewussten Lüge angezettelt zu haben. Dabei ist die Formulierung republikanisches Dogma, dass der Massenvernichtungswaffen-Vorwurf an den Irak nur ein bedauerliches Versehen der Geheimdienste war. Trump findet auch Clinton gut, und Obamas Gesundheitsversorgung.
Die Republikaner-Granden kriegen Gänsehaus.
Rechts von Trump wahlkämpft Ted Cruz. Noch schlimmer. Seine Partei“freunde“ halten ihn – kurz und ungeschminkt – für ein selbstsüchtiges, verlogenes Arschloch. Alle republikanischen Hoffnungen liegen auf Rubio.
Tomasky nennt drei Gründe, warum sich die Republikanische Partei in diesem Zustand befindet und wie Trump in einem Wut-Strudel nach oben gespült werden konnte:
1. Die Partei hat in den konservativen Medien seit Jahre nur Anti-Obama-Wutschaum verspritzt; im Radio, im Fox-Fernsehen und in unzählige Blogs, Webseiten, in Twitter- und Instagram-Kanälen. Aber eine Vision für Amerika war nicht mehr erkennbar.
2. Die Koch-Brüder und andere Super-Reiche sind die Kandidaten-Macher der Republikaner.
„When one family and its allies control that much money, and those running want it spent supporting them …, what candidate is going to take a position counter to that family …? The Kochs are known, for example, to be implacably opposed to any recognition that man-made climate change is a real danger. So no Republican candidate will buck that. This extends, of course, to practically the whole of Capitol Hill. Not long ago, I talked with Democratic Senator Al Franken of Minnesota, who explained how the Republicans’ fear of facing a Koch-financed primary from the right, should they cast a suspicious vote on climate change, prevented them from acknowledging the scientific facts. And what percentage of them, I asked, do you think really accept those facts deep down? “Oh,” Franken said, “Ninety.” He explained that in committee hearings, for example, witnesses from the Department of Energy come to discuss the department’s renewable energy strategy, “and none of them challenge the need for this stuff.” 
„Wenn eine Familie und ihre Verbündeten über derartig viel Geld verfügen, und wenn man dieses Geld für seinen Wahlkampf aufgewendet haben möchte …, welcher Kandidat wird dann eine Position vertreten, die dieser Familie … widerspricht? So sind die Kochs z.B. dafür bekannt, unerbittlich gegen jede Anerkennung zu sein, dass der vom Menschen verursachten Klimawandel eine reale Gefahr ist. So wird kein Kandidat der Republikaner dem widersprechen. Dies umfasst praktisch den ganzen Capitol Hill. Vor nicht langer Zeit sprach ich mit dem demokratische Senator Al Franken aus Minnesota, der erklärte, wie sehr – sollten sie ein verdächtiges Abstimmungsverhalten beim Klimawandel erkennen lassen – die Angst vor einem Koch-finanziert Vorwahlkandidaten von rechts republikanische Kandidaten daran hinderte, die wissenschaftlichen Fakten anzuerkennen. „Und wie viel Prozent von ihnen“, fragte ich, „glauben Sie, akzeptieren diese Tatsachen tatsächlich, im Grunde ihres Herzens?“ –  „Oh,“ sagte Franken: „Neunzig.“ Er erklärte, dass beispielsweise in Ausschussanhörungen Zeugen des Department of Energy auftreten und die Erneuerbare-Energien-Strategie ihrer Abteilung  diskutieren, „und keiner der Republikaner bestreitet die Notwendigkeit, dieses Thema zu diskutieren.“
Kurzgefasst: Die Kochs sind gegen jegliches Eingeständnis, dass Klimawandel eine Gefahr darstellen könnte. Kein republikanischer Kandidat wird widersprechen. Er müsste fürchten, dass bei den Vorwahlen plötzlich ein besser gesponserter Gegenkandidat auftaucht.
3. Verlorene Vorwahlen läuten oft das Ende von Politikerkarriere ein. Dies ist der dritte Faktor, der die Republikaner heute formt.
Für die Republikaner kommt aller politischer Druck von Rechts, und ausschließlich von rechts. In der Mitte gibt es nicht viel zu gewinnen, hier ist auch nicht das große Geld.
Bei den Demokraten ist dies nicht spiegelgleich, denn es gibt keine analoge Gruppe von links denkenden Multimilliardären, die Gegenkandidaten von weiter links finanzieren würden.
Michael Tomasky (MARCH 24, 2016): The Dangerous Election. In: New York Review of Books (NYRB)

Die New York Review of Books (NYRB) brachte weitere Veröffentlichungen über die Koch-Brüder, zum Beispiel Bill McKibben (MARCH 10, 2016): The Koch Brothers’ New Brand
Dieser Beitrag beleuchtet stärker ihre Psychologie und Machtausübung.