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0. Packen wir es an!

[1] Packen wir es an! Ja, Sie und ich.

Diese Texte sind a) für Menschen geschrieben, die selbst anpacken wollen. Lange genug haben wir die Klimagefahr den Politikern, Experten und Gegen-Experten überlassen. Nun schwillt sie an und wird zum Riesenproblem für unseren Wohlstand, unsere Demokratie, den Frieden, das Leben unserer Kinder, für unser eigenes Leben.

b) Das Klimaübereinkommen von 2015 in Paris wird unsere gesamte Wirtschaft umkrempeln, oder unsere Lebensweise wird scheitern. Trotzdem wissen viele Menschen in Deutschland nur ungefähr, was los ist. Auch für sie ist dies geschrieben: Menschen, die Bescheid wissen wollen, um handeln zu können.

c) Denn im Grunde ist es einfach: Woraus die Klimagefahr besteht, was sie verursacht hat, warum es jetzt sehr dringend ist.

d) Wissen Sie, was Sie tun können? In meinen Seminaren sammle ich gerne Ideen. Dann hängen Stichworte an der Pinnwand wie Energiesparlampen, Recyceln, Regionale-Produkte-bevorzugen, Weniger-Fliegen. Aber gegen die Klimagefahr richten solche „Gut-für‘s-Klima“-Vorsätze leider nichts aus.
Was passieren muss, ist im Grunde einfach: Die Politik setzt den Rahmen damit Wirtschaft und Bürger endlich das tun können, was fürs Land gut ist und die Klimagefahr abwehrt. Dies pasiert, aber nicht schnell genug, und hier sind wir gefragt. Nicht als Wähler, sondern als Gesprächspartner für Abgeordnete, für Mitarbeiter in den Ministerien, für Minister, Staatssekretäre bis zur Spitze.

Deswegen habe ich Grundlagen zur Klimakrise hier knapp und verständlich zusammengefasst. Auch schmunzelnd, Katastrophismus hilft ja auch nicht mehr weiter.

Inhalt:

1. Klimagefahr: Warum gibt es überhaupt ein Problem? Nicht, weil es zu viele Menschen gibt, weil wir über unsere Verhältnisse leben, weil Rinder furzen. Aber auch.
2. Klimagefahr Ursachen: Neues CO2 und schädliche Gase. Die Bedrohung in Zahlen: Wie ernst ist es? Wieviel Zeit bleibt?
3. Klimagefahr Lösungen: Notbremse ziehen – Kohlenstoff muss im Boden bleiben. Warum Energiesparen noch nicht Klimaschutz ist. Was verlangen uns die Klimaziele von Paris wirklich ab?
4. Klimagefahr Vernebler, Leugner, Trump und Superreiche: Die Ölkonzern-Eigner wissen es schon seit über 40 Jahren und haben vorgesorgt, haben aber uns hinters Licht geführt. Von Klimaleugnern, Fake News, Trump.
5. Klimagefahr – was tun und wie? Hierfür müssen wir kämpfen! Engagement: Selbst aktiv werden mit Lobbyarbeit – Ran an den Bundestag! Und mehr…

[2] Was mich persönlich antreibt, ist…

Klima-Erfolge machen Spaß!

Im Sommer 2016 stimmten alle Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus (CDU, SPD, Linke, Grüne, Piraten) dafür, mit dem Geld der Pensions-Rücklagen für Berliner Beamte nicht länger die Atmosphäre zu vergiften. Es wurde aus der Kohle-, Öl- und Gasindustrie abgezogen. Das Ziel der jungen Initiative „Fossil Free Berlin“ war erreicht, bei der ich mitgewirkt hatte. Mein Part waren die vielen Gespräche mit Abgeordneten aller Fraktionen, um zu überzeugen. Meine Erfahrungen waren ermutigend gewesen, ohne Ausnahme. „Die Politik“ war gar nicht so unzugänglich, im Gegenteil.

Über mich:

Was mir geholfen hat, war mein umfassendes Wissen über die Zusammenhänge zwischen Wirtschaft, Geld und Klima. Als Dozent in der Erwachsenenbildung habe ich mich auf Klima und Gesellschaft konzentriert. Ich habe jahrelang die Arbeiten zur Klimagefahr von Journalisten, Wissenschaftlern und anderen klugen Köpfen zusammengetragen und ausgewertet. Die Zusammenhänge zu sehen half mir meine soziologische Ausbildung.
Dabei trieb mich die Vision einer Welt, in der unsere Zivilisation sicher eingebettet ist und in der unsere Wirtschaftsweise nicht weiter über die Grenzen dieses Planeten hinweg wuchert. Zerstörung an den Grenzen zur intakten Natur hatte ich in den 90er Jahren (ich war Tropenwald-Fachreferent bei Robin Wood) mit eigenen Augen genug gesehen: Bulldozer im Regenwäldern, Bergwerksschlamm in Gebirgsflüssen. Viel von der Kraft und Schönheit dieser Landschaften ist heute verödet.
Was mich heute treibt: Ich habe Kinder und ich sehe deren Zukunftschancen versickern. Die Gefahr ist viel größer, als die meisten glauben. Aber auch die Lösung ist näher, als die meisten glauben. Wir brauchen heute jeden klugen Kopf und jedes gute Herz. Wir müssen unser demokratisches System nutzen, das wir noch haben, und die wenige Jahre nutzen, die wir noch haben, und JETZT HANDELN.

[3] Klimawandel: halb so wild, alles beherrschbar?

„Klimawandel“ – ist das nicht ein recht konstruiertes Problem? Mal ist der Sommer zu heiß, mal gibt’s keinen Schnee im Winter, mal stürmt es –das gab‘s früher auch schon. Klimawandel? Jetzt doch nicht. Vielleicht 2100. So redeten nicht nur die Herrschaften vom Bürgerverein (siehe [2] „Hitze in der Green City“: Freiburg 2013), so redeten meine Nachbarn und meine Kollegen in Freiburg. Ich arbeitete damals bei einem Freiburger Bauprojektentwickler und leitete Bauherrengruppen, die gemeinsam ein Passivhaus planten – die also ein Bewusstsein für das Klimaproblem haben sollten. Dachte ich. Die grüne Pionierphase war in Freiburg zu diesem Zeitpunkt aber schon vorbei. Passivhausstandard galt inzwischen als normal, und jetzt bauten die Leute, die etwas „werthaltiges“ haben wollten. „Klima“ war ihnen herzlich egal.

Ich kam mir mit meiner Klima-Besorgnis also recht exotisch vor. Da das Ende der Firma meines Arbeitgebers bereits dämmerte, hatte ich mich schon nach einer neuen Aufgabe umgeschaut und das Thema „Anpassung an den Klimawandel“ entdeckt (das mich schließlich auch in die Mooswalder Bürgerversammlung geführt hatte). Hier schien es Bedarf an sinnvoller gesellschaftlicher Arbeit zu geben, die von der Bundesregierung auch bezahlt wurde. „Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel“ hieß das Programm des Umweltministeriums. Es winkten 200 000,- Euro für zwei Jahre. Ich wollte zusammen mit einem Freiburger Institut ein Bildungsangebot für Kommunen entwickeln.

Dies führte mich auf eine Reihe von Fachkonferenzen und an besondere Orte:

  • Das Climate Service Center in Hamburg, das sich auf Anpassung an den Klimawandel („Klimaanpassung“) in Deutschland konzentrierte und im vornehmen Chilehaus in Hamburg residierte.1
  • Das Potsdamer Institut für Klimaforschung, das die Destabilisierung des Klimas erforschte und Maßnahmen dagegen („Klimaschutz“).2
  • Das Verkehrsministerium in Berlin, dem damals noch der Bereich Bauen und Stadtentwicklung zugeordnet war3; es widmete sich der Politik einer Anpassung an ein anderes Klima. Hierzu hatte es gleich vier Forschungsförderungsprogramme aufgelegt4 und veranstaltete nun Konferenzen mit Namen „StadtklimaExWoSt“5 und „Klimawandel in Stadt und Region“ 6 .

Auf diesen Konferenzen erklärten eifrige Wissenschaftler die überladenen Poster ihren Förderern aus dem Ministerium: „Immobilien- und wohnungswirtschaftliche Strategien und Potenziale zum Klimawandel“ und „Risikoabschätzung der zukünftigen Klimafolgen in der Immobilien- und Wohnungswirtschaft“, und wie die Forschungsvorhaben alle hießen. Es spielte das Trio „Jazz à la carte“, oder das Kabarett „Wurscht und Wichtig“. Ein Fotograf dokumentierte fleißig.

Im Großen und Ganzen gingen die Fachleute in dieser „Anpassung-Community“ von Szenarien aus, in denen die Sommer trockener und periodisch viel heißer sein würde. Im Winter regnete es dafür mehr. Es würde früher Frühling, aber auch Blüten-vernichtende Spätfröste geben. Dazu ab und zu eine Sturzflut und einen Orkan. So die Prognose für die meisten Gegenden Deutschlands, auch für Südbaden. Dann hätten die Älteren ein Problem mit der Hitze, Ärzte mit Malaria und Denguefieber, Winzer mit Schildläusen und Mönchszikaden, Gemüsebauern mit Spätfrösten und Hitzeschäden in Gewächshäusern, die Gemeindeverwaltungen mit vollgelaufenen Kellern, Hausbesitzern mit Wertverlusten, wenn die neuen Hochwassergefahrenkarten mal jemand ernst nimmt, Industriegebiete mit Flutschäden, die Kraftwerke mit zu wenig und zu warmem Fluss-Kühlwasser, Wuppertal mit Sturzfluten von den Hängen, die ein Auto die Straße hinunter spülen könnten wie eine Zigarettenkippe in der Toilettenschüssel, und die Skihotels im Schwarzwald bauten ohnehin schon Wellnessbereiche an.

Probleme hätten also eigentlich alle. Aber dagegen kann man was tun: ein Rückhaltedamm hier, eine neue Weinsorte dort und der Königsweg für die Stadt sind bewirtschaftete Grünflächen, die die Hitze dämpfen. Alles beherrschbar.

So mancher Beamte, mit dem ich in den Fluren oder beim Buffet plauderte, hielt das Klimaproblem auch für gar keines. Bei einer Regionalkonferenz zur Klimaanpassung in Karlsruhe kam ich in der Pause mit einem Stuttgarter Abteilungsleiter ins Gespräch, der sich aufregte: „Klimaerwärmung? Wenn die kommt, dann häng ich sofort meine Stelle an den Nagel, kauf einen Eiswagen und mach mich selbständig“, sein Programmheft landete auf dem Boden, „Sinnvoller, als hier rumzustehen. Tu ich nur, weil sie mich hinbeordert haben. Das ist doch alles Quatsch.“

Und genau dies ist beim Klimawandel – es hat sich noch nicht mal ein angemessener Namen dafür durchgesetzt7 – das Problem. Man nimmt ihn nicht wahr, man nimmt ihn nicht ernst. Es gibt ihn in der Zeitung, es gibt ihn im Fernsehen. Im Netz findet man viel Richtiges und auch viel Falsches, die Lage ist so verwirrend, dass nicht einmal führende Politiker unseres Landes durchblicken8.

Es ist Zeit, das aufzudröseln. Ich fange bei ein paar Grundbegriffen an: Wetter – Klima – Klimawandel.

Weiterlesen: [4] Orkan und Sintflutregen: Klimawandel oder einfach Wetterpech?


1. GERISC, wohl das renommierteste, was Deutschland auf diesem Gebiet hat.

2. PIK, wohl das renommierteste, was Deutschland auf jenem Gebiet hat.

3. „BMVBS“. Im Dezember 2013 verlor das Bundesministerium für Verkehr den Bereich Bau und Stadtentwicklung „BS“ an das Umweltministerium (und bekam dafür die Digitale Infrastruktur „I“; neu also BMVI).

4. StadtKlimaExWoSt, ImmoKlimaExWoSt, ImmoriskExWoSt und KlimaMORO. ExWoSt = Experimenteller Wohnungs- und Städtebau, MORO = Modellvorhaben der Raumordnung.

5. „Klimawandelgerechte Stadtentwicklung in der Praxis. Ergebnisse aus dem ExWoSt-Forschungsschwerpunkt StadtKlima“, Oktober 2012.

6. Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (2014): Klimawandel in Stadt und Region – Ergebnisse aus den Forschungsfeldern ImmoKlima/ImmoRisk, StadtKlima ud KlimaMORO. Dokumentation Klimakonferenz 2014.

7. Klimawandel ist ein viel zu schwaches Wort, aber leider eingeführt. „Climate Breakdown“ schlägt der britische Journalist George Monbiot vor. Wie übersetzen? Klimachaos – nicht seriös, Klimakollaps, Klimakatastrophe – schlicht falsch, die Verschlechterung ist ja schleichend. Ich bemühe mich ab jetzt, angemessenere Begriffe zu verwenden.

8. Die Verhandler und Verhandlerinnen der Grünen Partei bei den Jamaika-Sondierungsgesprächen äußerten sich entsetzt, dass sie anderen Spitzenpolitikern grundlegende Erkenntnisse der Klimawissenschaft noch erklären mussten (persönliche Information).