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[10] Tödliche Hitze in Europas Nachbarländern

Als ich 1989 in Ägypten aus einer DDR-Interflug-Maschine stieg, schlug mir eine Luft entgegen, wie ich sie nicht kannte. Nach ein paar Tagen in Kairo hielt ich es nicht mehr aus. Nicht wegen der Hitze und dem Gestank nach Müll, Abgas und verbranntem Gummi. Sondern wegen dem Staub. Ich trug damals Kontaktlinsen. Schon Zuhause in Berlin zwang mich ein Staubteilchen immer mal wieder, eine Linse hastig aus dem Auge zu schieben. Das passierte alle paar Tage. Hier passierte es stündlich. „Muss an der Sahara liegen“, vermutete ich.

Zurück in Deutschland kam mir das etwas weit hergeholt vor. Jetzt fiel es mir wieder ein, als ich unter der Überschrift „Dem Orient droht ein Klima-Exodus“ in einer Presseinformation des Informationsdienst Wissenschaft vom 29. April 2016 las1:

„Das Forscherteam hat kürzlich … Ergebnisse zur steigenden Feinstaubbelastung im Nahen Osten veröffentlicht. Demnach hat diese seit Anfang des Jahrhunderts in Saudi-Arabien, im Irak und in Syrien bis zu 70 Prozent zugenommen. Sie ist vor allem auf vermehrte Sandstürme aufgrund zunehmender Dürre zurückzuführen.“ Also war es doch die Sahara, dachte ich.

Tödlich ab 35 Grad „Wet Bulb“-Temperatur

Weiter: Ägypten, Nordafrika und der nahe Osten leiden nicht nur unter Dürre und Staub. Anders als in den meisten anderen Weltregionen werden im Nahen Osten und Nordafrika nicht die Winter, sondern die Sommer heißer. Schon Mitte des Jahrhunderts wird an 80 Tagen im Jahr das Thermometer mittags auf 50 Grad steigen und nachts nur auf 30 Grad sinken – Mitte der 2010er Jahre passiert das nur an 16 Tagen. Es wird zehn Mal so viele Hitzewellen geben wie heute. Und das sogar, wenn Staaten den CO2-Ausstoß drosseln, so dass er schon 2040 wieder abnimmt.2

Nun ist trockene Hitze in der Wüste mit ausreichend Wasser und richtiger Kleidung auszuhalten; Tuareg und andere Kulturen machen es vor. Gleichzeitig wird aber die Luftfeuchtigkeit steigen. Dies führt zu einem noch recht unbekannten Phänomen: Menschen überleben Hitze ab einer gewissen Luftfeuchtigkeit nicht. Schwitzen reicht nicht mehr aus, es hilft auch nicht, sich mit Wasser zu übergießen, denn die Verdunstung ist zu schwach, um den Körper ausreichend zu kühlen. Der Kreislauf kollabiert, Tod ist die Folge. Dies passiert, wenn ein Körper durch Verdunstung nicht mehr auf unter 35 Grad gekühlt werden kann – die Wet Bulb Temperatur.3

So werden mit den Jahren immer mehr Gegenden in Nordafrika und im Nahen Osten unbewohnbar.4 Eine andere Untersuchung sagt dies übrigens auch für dicht besiedelte Teile Indiens voraus.

Wohin werden die Menschen dort ziehen? 5


1. Die Presseinformation von Susanne Brenner (29. April 16) „Dem Orient droht ein Klima-Exodus“ findet sich hier: http://www.deutsches-klima-konsortium.de/fileadmin/user_upload/pdfs/Veranstaltungen/2016_DKK_Vortrag_Froehlich.pdf

2. Während ich dies im Mai 2016 schreibe, braust vor dem Fenster ein bulliger VW-Amarok vorbei, und über dem Berliner Braunkohlekraftwerk Klinkenberg wabert der Kondensdampf.

3. 35 Grad ist die kritische Schwelle der „Wet Bulb“ Temperature WBT, auf Deutsch Kühlgrenztemperatur. Die WBT gibt die Temperatur an, auf die ein Körper durch Verdunstung gesenkt werden kann. Dies hängt von der relativen Luftfeuchtigkeit ab: Je feuchter die Luft, desto weniger „bringt“ die Verdunstung. Im Web fand ich diese Berechnungshilfe: https://www.weather.gov/epz/wxcalc_rh (abgerufen am 6. Feb. 2018)

4. Die Autoren Panos Hadjinicolaou und Jos Lelieveld werden in der Pressemiteilung so zitiert: „Der Klimawandel wird die Lebensumstände im Nahen Osten und in Nordafrika weiter deutlich verschlechtern. Langandauernde Hitzewellen und Sandstürme werden viele Gebiete unbewohnbar machen, was sicher zum Migrationsdruck beitragen wird… Lelieveld und Hadjinicolaou sind sich darüber einig, dass … viele Menschen diese Region früher oder später verlassen könnten.“
‚Beitrag zum Migrationsdruck‘; Menschen ‚könnten‘ die Region verlassen; es ‚droht‘ ein Klima-Exodus: Leisetreterische Formulierungen wie diese tragen dazu bei, dass europäische Regierungen nicht vorausschauend handeln. Wenn Hunderttausende aus Syrien tatsächlich kommen, lassen sie dann hastig Drahtverhaue über die Fluchtroute spannen. (siehe [9] Instabiles Klima: Fluchtursache? Syrien). Warum kann man nicht Tachles schreiben: Das kommende Klima macht Regionen unbewohnbar, der Grund, dass Menschen fliehen werden.

5. The Guardian (2.8.17) Climate change to cause humid heatwaves that will kill even healthy people. https://www.theguardian.com/environment/2017/aug/02/climate-change-to-cause-humid-heatwaves-that-will-kill-even-healthy-people , abgerufen am 4.8.17


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