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Author Archives: Christoph Meyer

[11] Klima-Kettenreaktion

Während ich mich mit der Anpassungs-Planung an ein instabiles Klima beschäftigte (siehe [3] Klimawandel: halb so wild, alles beherrschbar?), dämmerte mir, dass Klima-Anpassung auch völlig umsonst sein konnte. Ich war auf einer Konferenz in Potsdam. Organisiert hatte sie das Climate Service Center (GERICS)1. Zu Gast waren wir beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK)2. Hier trafen beide Klimaexperten-Kulturen aufeinander:
a) die „Anpassungs-Community“ um das GERICS, ein überschaubarer Kreis von Stadt/Regionalplanern und Wissenschaftlern aus Forschungsinstituten und Beamten in Ministerien, und
b) die Klimaforscher vom PIK und andere, die untersuchten, was uns von einem instabiler werdenden Klima droht.

Als während einer Podiumsdiskussion jemand im Publikum das Wort ergriff, um wieder einmal die Wichtigkeit von Anpassungsmaßnahmen zu betonen – „Wir müssen die Handelswege, die Schifffahrt, die Häfen robuster machen!“ – platzte dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf der Kragen: „Mehrere Meter Meeresspiegelanstieg durch das schmelzende Eis auf Grönland und, wie sich gerade herausstellt, der Westantarktis3 – da kann man sich nicht mehr geordnet anpassen! Ein unbegrenzter Klimawandel wird zu schwerwiegend sein. Ohne Begrenzung des Klimawandels wird auch die Anpassung daran schlicht unnötig!“

Die Klimawandel-Anpasser, in deren Kreisen ich mich damals bewegte, hatten sich um die Begrenzung des Klimawandels nicht besonders geschert. „Alles beherrschbar“ war stets die unausgesprochene Devise gewesen, manchmal auch „halb so wild“. Rahmstorfs unmissverständliche Feststellung wirkte da wie ein schriller Misston.

Rockström
Wenn jenseits der 2 Grad der Amazonas-Regenwald verbrennt, gelangt so viel Kohlendioxid in die Luft, dass die globalen Temperaturen um ein weiteres Grad steigen. (Bild: Prof. J. Rockström auf der 4. Jahrestagung des Climate Service Centers am 12.2.14)

Begrenzung des Klimawandels meint heute nach internationalem Verständnis: „Deutlich unter 2 Grad, möglichst 1,5 Grad“, so ist das Ziel im beschlossenen Klimaübereinkommen vereinbart, das im Dezember 2015 in Paris verbindlich beschlossen wurde.4

Warum zwei Grad?

Kurz: Bei maximal 2 Grad bleiben die Veränderungen durch Flutkatastrophen, Dürren und Meeresspiegel-Anstieg wohl noch beherrschbar. Jenseits der 2 Grad geraten die Dinge sehr wahrscheinlich außer Kontrolle. Besser sind aber 1,5 Grad, denn schon vorher gibt es bedrohliche Naturumwälzungen. Zur Orientierung: Wir waren 2014 bis 2017 bei 1 bis 1,2 Grad globaler Durchschnittstemperatur.

Außer Kontrolle geraten die Veränderungen, wenn sie a) (erst einmal) nicht mehr rückgängig zu machen sind, also eine eigene Dynamik entwickeln wie ein Benzin-Tanklaster auf der Autobahn, der die Leitplanke vor dem Steilabhang durchbrochen hat. Gletscher in der Antarktis scheinen diese Tendenz zu haben. Dies nennt man Klima-Kipppunkte. Besonders unheilvoll sind sie, wenn sie b) die Klima-Destabilisierung beschleunigen, eine „positive Rückkoppelung“ bewirken.

Was passiert, bevor die 2 Grad erreicht sind?

Hier sind zwei Beispiele für Klima-Kipppunkte, die schon begonnen haben:

  • Die gefrorenen „Dauerfrost“-Böden in der russischen und kanadischen Taiga tauen immer tiefer auf, was mehr und mehr Methan freisetzt. Einen hübschen Effekt kann man in Filmschnipseln auf YouTube bewundern, wo Leute ins Eis pieksen und dann ein Feuerzeug dranhalten: Eine Stichflamme, ein kleines Wumm.5 Nebenbei ist Methan auch ein 25 Mal stärkeres Klimagift als Kohlendioxid, zumindest mittelfristig.
  • Das Eis auf dem Nordpolarmeer schmilzt. Das führt dazu, dass weniger weiße Schneefläche da ist, welche Sonnenstrahlen ins All zurückspiegelt, dafür mehr dunkelgrünes Polarmeerwasser, dass die Strahlen schluckt und sich erwärmt – jetzt schon zu beobachten. Tatsächlich schmolz das Eis auf dem Polarmeer viel schneller, als die Klimawissenschaftler vorausberechnet hatten. Und 2012 kippte Grönland plötzlich von einer globalen Kältemaschine, die mit ihrer strahlend weißen Schneeoberfläche die wärmenden Sonnenstrahlen ins All reflektierte, zur globalen Heizung. Der Schnee war getaut, die dunklere Eisfläche saugte in nur zwei Wochen wärmende Strahlen in der Größenordnung von 300 Exajoules ein, und schmolz natürlich noch schneller. Zum Vergleich: der Welt-Energieverbrauch der Menschheit beträgt 600 Exajoules pro Jahr.6

Was passiert jenseits der 2 Grad?

Der gigantische Amazonas-Regenwald trocknet wahrscheinlich so weit aus, dass er in Flammen aufgeht. Dies ist ein besonders verhängnisvoller „Klimakipp-Punkt“. Die Menge an Kohlendioxid, die bei diesen Giga-Waldbränden in die Atmosphäre raucht, reicht gleich für ein weiteres Grad globalen Temperaturanstieg7. Warnzeichen gibt es schon: 2005, 2010 und 2015 gab es „noch-nie-dagewesene“ Trockenperioden, und Regenwaldflächen brannten.

Von diesen Kipp-Punkten jenseits der 2 Grad-Erwärmung gibt es noch eine ganze Reihe mehr, bis zur plötzlichen Auflösung der Methanhydrat-Vorkommen bei 6 Grad, wenn die die Tiefen der Meere warm genug geworden sind. In Ozeansedimenten auf dem Grund vieler Kontinentalschelfe lagern zwölf Billionen Tonnen. Das hochentzündliche Methan kommt dann in Riesen-Blasen an die Oberfläche, ein Blitz: ein globales WUMM! – das könnte tatsächlich das Ende der letzten Menschen sein, die bis dorthin durchgehalten haben.8

In Kapitel 1 habe ich das Klimaproblem beschrieben und einige Folgen und Gefahren des Klimawandels erläutert, wie Kipppunkte und positive Rückkopplung. In Kapitel 2, ab Beitrag [13] (in Arbeit) werde ich die Ursachen des Klimaproblems erklären und Treibhausgas – Kohlendioxid, Methan, Lachgas und weitere – beschreiben.

Nächster Beitrag: [12] Bin ich betroffen?

Vorheriger Beitrag: [10] Tödliche Hitze in Europas Nachbarländern


1. Das renommierteste, was Deutschland auf diesem Gebiet hat.

2. Das renommierteste, was Deutschland auf jenem Gebiet hat.

3. Die drohende Destabilisierung großer Gletscherflächen auch im Osten der Antarktis war damals – im Februar 2014 – noch nicht allgemein bekannt.

4. PARIS AGREEMENT, beschlossener Text: www.unfccc.int/resource/docs/2015/cop21/eng/l09r01.pdf , abgerufen 13.2.18. Das Ziel steht im Artikel 2, Absatz 1.(a).
Inzwischen sind ALLE beigetreten: 195 Nationen (je nach Anerkennung gibt es auf der Welt ein paar mehr oder weniger). Noch nicht alle haben ratifiziert (Stand Februar 2018). Leider hat eine Gruppe Klimaleugner durchgesetzt, dass „The Real Donald Trump“ den Ausstieg der USA einleitet. Formal vollzogen wird dies in Trumps ersten vier Jahren wohl nicht mehr.

5. YouTube-Schnipsel von Methan-Wumms: Hier: https://www.youtube.com/watch?v=FM0hczFNDZI, hier: https://www.youtube.com/watch?v=iJQzyBqZeZc oder hier: https://www.youtube.com/watch?v=66t7Qhi7KPg

6. Vortrag J. Rockström, 4 Jahrestagung des Climate Service Center, 12.-13. 2.14, eigene Notizen und https://www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=2&ved=0ahUKEwiXw43mzqLZAhXFjiwKHQ4iApQQFgg2MAE&url=http%3A%2F%2Fwww.climate-service-center.de%2Fimperia%2Fmd%2Fcontent%2Fcsc%2Fj%2Fcsc_jt2014_rockstroem.pdf&usg=AOvVaw1-MyDBL_i-VBW9s0jLBj_j, Folie „Greenland Ice Sheet Albedo“, abgerufen 13.2.18.

7. Mark Lynas (2008) Six Degrees: Our Future On A Hotter Planet, National Geographic Society. Ein Klassiker. Lynas hat darin existierende wissenschaftliche Studien nach Grad des Temperaturanstiegs von 1 Grad bis 6 Grad sortiert und packend beschrieben. Einen Überblick gibt die 2016 aktualisierte Zusammenfassung von Doc Snow (http://hubpages.com/@doc-snow ): https://letterpile.com/books/Mark-Lynass-Six-Degrees-A-Summary-Review
Nicht verschweigen will ich, dass Mark Lynas später in die Kritik geriet, weil er plötzlich GenTech gut fand. Seinen Namen fand ich auch als Unterzeichner eines „Ecomodernistischen Manifests“ von 2015, somit findet er auch Atomkraft akzeptabel. Sei es drum; ein gutes Buch ist Six Degrees trotzdem.

8. Mark Lynas (2008) Six Degrees

[0] Ursache der Klimagefahr – Überblick

 Folgende Beiträge sind für dieses Kapitel vorgesehen:

  • Wie entstand das Klimaproblem? (veröffentlicht 10. April 18)
  • Kurze Geschichte der Klimaforschung
  • Kohlendioxid schützt. Aber die Dosis macht das Gift
  • Noch mehr Probleme: Ruß auf Schnee. Andere Gase

[1] Wie entstand das Klimaproblem?

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Vielleicht brauchte er danach länger als sechs Tage und ging nicht so gradlinig vor wie das 1. Buch Mose erzählt. Zum Schluss aber waren die Erde und ihr Klima ziemlich menschenfreundlich, als unsere Vorfahren sich vor 200 000 Jahren aus einer wirren Population verschiedener Frühmenschenhorden herausbildeten.1

In dieser Zeit lag der Gehalt von Kohlendioxid-Gas (CO2) in der Luft bei 280 ppm (Parts per Million). Er sank bis auf 200 ppm, wenn Änderungen bei der Erdumdrehung die Temperaturen für ein paar zehntausend Jahre abkühlen ließen. Die Eiszeiten. Zwei davon durchlebten unsere Vorfahren2. Vor 11 700 Jahren hörte die letzte Eiszeit auf, der Kohlendioxidgehalt stieg und verharrte bei 280 ppm.3

280 Parts per Million bedeutete 280 Teile Kohlendioxid pro eine Millionen Teile Luft. Das waren nur 0,028%. Diese 0,028% hatten es jedoch in sich.

Ganz ohne Kohlendioxid-Gas wäre unser Planet bitterkalt. Minus 18 Grad. Die Erde wäre ein bläulicher Schneeball zwischen Mars und Venus. Die winzige Menge von 280 ppm jedoch sorgte dafür, dass gerade genug Wärme in der Atmosphäre blieb, um diesen Planeten zu einem menschenfreundlichen Ort zu machen. Kohlendioxid ist ein Temperatur-Regelungs-Gas: Die genau richtige Menge sorgt für ein genau richtiges Klima. 280 ppm.

Nach dem Ende der letzten Eiszeit stieg die Durchschnittstemperatur schnell und verharrte dann auf diesem Niveau. Die Erde war für die Entwicklung der Zivilisation bereitet: Eva reichte Adam den Apfel, dann folgten Ackerbau, Keramik, Töpferscheibe, Rad. Vor 6000 Jahren ging‘s richtig los: Bewässerung, Buchhaltung, Schrift, Königreiche, Streitwagen, genormte Amphoren und Dampfmaschinen4. Zivilisatorisch und technologisch stand das römische Reich um Christi Geburt schon da, wo England im Jahr 1700 immer noch stand.

Römer kamen aber nicht auf die Idee, in Maschinen zu investieren, um Arbeitskraft zu sparen. Das taten Engländer. 1733 erfanden sie den verbesserten Webstuhl „Flying Shuttle“, gut 30 Jahre später die Spinnmaschine „Spinnig Jenny“, und der Kapitalismus war geboren5. Die ersten Textilmaschinen in Lancashire waren noch Hand- oder Wasserkraft-getrieben. Mit der Erfindung der Dampfmaschine und mit billiger Kohle nahm die Sache Fahrt auf.

Moment mal: Billige Kohle?

Kohle war in England leicht verfügbar und wurde schon vorher zum Backen, Brauen, Glasblasen und Heizen genutzt. Jetzt wurde sie zum Treibstoff einer atemberaubenden Entwicklung. Bisher hatte sich die Wirtschaftsleistung pro Kopf kaum vergrößert und die Europäer waren bis auf Kaiser, König, Edelmann arm geblieben. Nun änderte sich das. Der Lebensstandard stieg ins Unermessliche: Dampfpflug und Dreschmaschine, Kanalisation, Kunstdünger, Hygiene, Penizillin, Glühbirne, Mietskasernen und Auswandererschiffe. Später kamen Treibstoffe hinzu, die noch praktischer waren: Öl und Gas.

Kohle, Öl und Gas: Im Verlauf dieser Erfolgsgeschichte wurden immer mehr davon aus dem Boden geholt. Die technische Entwicklung gründet auf ihnen, von Dampflokomotive bis zum Samsung Galaxy S8.

Kohle, Öl und Gas sind fossile Brennstoffe. Sie entstanden aus Pflanzenresten und Tierkadavern, die vor Jahrmillionen zu Öl und Gas wurden, zu Steinkohle oder zu Braunkohle. Gemeinsam ist ihnen, dass sie seit mindestens 2 Millionen Jahren, teils einer Milliarde Jahre abgeschlossen unter der Erde lagerten. Bis man sie wieder heraufholte.

Ob ein Holzscheit verbrennt oder ein Stück Kohle macht einen Unterschied.

Im Holzscheit ist Kohlenstoff (C) enthalten, dass ein Baum kurz zuvor mithilfe von Sonnenenergie aus dem Kohlendioxid (CO2) der Luft erzeugt und in sein Holzgerüst eingebaut hatte. Durch die Verbrennung des Holzes verbindet sich der Kohlenstoff mit Sauerstoff, wird wieder zu Kohlendioxid und entweicht in die Atmosphäre. Dies ist ein Kreislauf innerhalb der belebten Oberfläche der Erde, der Biosphäre. So bleibt der Gehalt an Kohlendioxid im Jahresdurchschnitt gleich.

Der Kohlenstoff im Stück Kohle stammt jedoch nicht aus der Luft; er wurde nicht kurz zuvor vom Baum herausgesaugt und gebunden. Dieser Kohlenstoff war seit mindestens einer Million Jahre unter der Erde. Durch die Verbrennung der Kohle entsteht Kohlendioxid, das in die Atmosphäre entweicht, dort aber vorher nicht war. Dies ist kein Kreislauf, sondern eine ZUSÄTZLICHE Anhäufung dieses wichtigsten Klima-Gases in der belebten Oberfläche der Erde, der Biosphäre. 6

So wurden Flying Shuttle und Spinning Jenny, die kapitalistisches Denken in die Welt brachten und damit die industrielle Dynamik entfesselten, zum zweiten Sündenfall: Denn die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas verwandelte Kohlenstoff, der seit Jahrmillionen von der belebten Sphäre der Erde abgeschlossen gelegen hatte, in das Gas Kohlendioxid und entließ ihn so in die Atmosphäre. So entstand neues Kohlendioxid, zusätzlich zu jenem Kohlendioxid, das die Temperatur des Planeten in den letzten 11700 Jahren so gleichmäßig gehalten hatte. Nun reicherte sich ein Übermaß an. Die Kohlendioxid-Konzentration nahm zu und begann, weltweite die Temperaturen in die Höhe zu treiben.

Früher hatte man geglaubt, die unendliche Natur würde dieses zusätzliche Kohlendioxid irgendwie wieder binden.

Ein Irrtum, wie sich herausstellte.


1. So der augenblickliche Stand der Forschung, schön nachzulesen in BAHNSEN, Ulrich, 2014. Familie Mensch: Der Aufstieg des Homo sapiens begann in einem Schmelztiegel afrikanischer Urvölker. Neue Befunde verraten erstmals Details über die Geburtsstunde unserer Spezies. DIE ZEIT. 15. 09.2016, No. 39. Online: http://www.zeit.de/2016/39/evolution-mensch-homo-sapiens-anthropologie, abgerufen 29.9.17

2. Die Neandertaler erlebten vier Eiszeiten. Nach der vierten verlieren sich ihre fossilen Spuren in Spanien.

3. Während der Eiszeiten sank der Kohlendioxid-Gehalt, dies war jedoch nicht deren Ursache. Hingegen „half“ ein steigender Kohlendioxid-Gehalt, die Erde nach einer Kälteperiode schneller zu erwärmen und die Eispanzer im Norden aufzutauen, deren weiße Oberfläche viel Sonnenwärme zurück ins All reflektiert hatte. Wodurch die Temperaturen noch schneller stiegen.

4. In den Schriften des Heron von Alexandria, der zur Zeit Christi lebte, fand sich neben Weihwasserautomaten und Mehrfach-Katapulten die erste Beschreibung einer Apparatur, die Dampf in Bewegung umsetzte. Über deren Nutzung als Antrieb ist nichts bekannt. https://de.wikipedia.org/wiki/Heron_von_Alexandria

5. Ulrike Herrmann, 2013. Der Sieg des Kapitals: Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen, S. 42

6. Dies ist übrigens auch messbar. Auf unsere Atmosphäre trifft ständig kosmische Strahlung. Dadurch können sich Atome in der Luft verändern. So auch das Kohlestoffatom im Kohlendioxid. Es wird radioaktiv und man bezeichnet es dann als 14C-Isotop. Nach einer Weile zerfällt es wieder (Halbwertszeit 5750 Jahre). Das Kohlendioxid der Biosphäre hat also immer einen gewissen gleichbleibenden Anteil an 14C-Isotopen.
Fossiler Kohlenstoff hingegen lagerte Jahrmillionen im Boden und war abgeschirmt von kosmischer Strahlung. Hier sind keine 14C-Isotope mehr entstanden, so enthält der Kohlenstoff in Kohle, Öl und Gas praktisch keine 14C-Isotope mehr. Messen kann man nun den C14-Anteil in Holz. Und siehe da: jüngere Holzschichten enthalten merklich weniger 14C-Isotope als ältere (man nennt das den „Suess-Effekt“). Bäume lagern bei ihrem Wachstum heute also mehr fossilen Kohlenstoff ein als früher.

[13] Was passieren muss ist eigentlich klar

Bis die Beiträge für dieses Kapitel veröffentlicht sind, empfehle ich den hervorragenden Artikel von Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimaforschung PIK, den er an die Sondierer der (gescheiterten) Jamaika-Koalition gerichtet hat:

Die Koalitionsgespräche und das deutsche Emissionsbudget

Die Koalitionsgespräche und das deutsche Emissionsbudget

[14] „Hitze in der Green City“: Freiburg 2013

Es war ein schwüler Sommerabend, eine zerfaserte Wolkendecke drückte auf die Stadt, durch einen blauen Streifen über der Rheinebene fiel matt die Sonne. Ich schwitzte. Kein Blatt bewegte sich an den Bäumen im Park. Ich bog in die Straße Am Hägle und stellte fest, dass sie komplett zugeparkt war. Die Veranstaltung „Hitze in „Green City“ – Folgen einer nicht-klimagerechten Stadtentwicklung“ schien ein Renner zu sein. Ein Biometeorologe sollte über Anpassung an die Folgen des Klimawandels in Freiburg referieren.
Ich schloss mein Fahrrad ab, betrat das Fritz-Hüttinger-Bürgerhaus und staunte. Sonst war Mooswald, eine Nachkriegs-Wohnsiedlung mit Einfamilienhäusern, nicht besonders reich, nicht besonders bemerkenswert, und ganz sicher nicht besonders Klimawandel-interessiert. Jetzt drängten sich gut 150 Personen im Saal. Sie hatten Sprudelflaschen vor sich stehen und Biergläser, und wer keine weißen Haare hatte, hatte sie gefärbt.
Erst sprach der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Freiburger Bürgervereine die Begrüßungsworte. Dann zeigte der Biometeorologe Fotos von Speiseeiswagen in Paris, in denen im Jahrhundertsommer 2003 wegen überfüllter Leichenhallen die Toten gelagert wurden, als am 12. August die Hitze die alten Leute zu Tausenden hinraffte. „Es bewegt sich kein Lufthauch. Stickoxide und Ozon sammeln sich. Nachts kühlt es nicht mehr ab. Wenn es so kommt, dann wird‘s gefährlich.“ Statistisch sei diese Hitzewelle für Deutschland ein 450-Jahres-Ereignis gewesen. „Aber auch ein Modellfall für die Zukunft. Nach 2070 wird hier ein Drittel der Sommer so heiß sein.“ 1
Die Fragerunde hinterher landete schnell beim „Höllentäler“, einem nächtlichen Sommerwind, der kühle Luft aus dem Schwarzwald durch Freiburgs Innenstadt pustet. Den Stadtteil Mooswald spart die Brise dabei aus. Im Sommer bekommt Mooswald allenfalls einen Hauch kühle Luft aus Nord-Nordost. Also vom Sportflugplatz her.
Dort plante die Stadtverwaltung das neue Fußballstadion.
Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Die vielen Zeitungsartikel. Das erklärte den vollen Saal: Die lieben Leutchen hier fürchteten zugeparkte Seitenstraßen, grölende Fans nach Mitternacht und kopulierende Liebespaare hinterm Rhododendron. Darum ging es eigentlich, und da kam das Klimawandel-Argument gegen die Bebauung einer Frischluftschneise gerade gelegen.
„Es geht um die Gesundheit unserer Kinder und Enkel“, rief einer, und der Saal klatschte. Als sich aber einer als Bewohner des grünwählenden Stadtteils Vauban vorstellte und frage, ob man nicht mal aufs Auto verzichten sollte wegen Klimawandel, gab es ungläubiges Gelächter. Im Schlusswort stellte der Vorsitzende klar: „Zu Autofrei: Wenn das im Vauban gefällt, bitteschön. Wir hier wollen das nicht.“

Als ich vor die Tür trat, hatten sich die vielen PKWs in der engen Straße schon ineinander verkeilt. Einer hämmerte auf die Hupe. Ich murmelte „Besorgnis um Kinder und Enkel heucheln und munter weiter die Atmosphäre verpesten“ und schwang mich wieder auf’s Rad, Richtung grünwählendem Stadtteil Vauban, wo ich wohnte.

Das Gelächter der Herrschaften vom Bürgerverein wirft eine Frage auf: Ist das überhaupt ernst zu nehmen mit dem Klimawandel?

Weiterlesen: [3] Klimawandel: halb so wild, alles beherrschbar?


1. Vortrag Gerd Jendritzky am 15. Juli 2013: Im Sommer 2003 gab es vor allem in Paris vorzeitige Todesfälle, über 20 000; dort wurde das Problem telegen, als man die Leichen in Speiseeiswagen zwischenlagerte. In Baden Württemberg lag die Mortalitätsrate bei 2500 über dem Erwarteten. „Das sind harte Fakten“. Ansonsten sei Hitze ein „silent killer“.

[15] Reich, reich, reich und unerbittlich: Wie Koch-Brüder und Konsorten garantieren, dass Klimawandel nicht stattfindet

Trump ein Klimawandel-Leugner? Eher ein Klimawandel-Ignorant. Aber seine Kandidatur bringt einen dritten Aspekt der US-amerikanischen Klimawandel-Leugnerei zum Vorschein, wie Michael Tomasky analysiert.
1. Naomi Klein konstatierte nach ihrem Besuch einer Klimaleugner-Konferenz, dass es den Ideologen Morano, Horner, Michaels, Schmitt gar nicht ums Klima ging. Vielmehr fürchten sie, dass Klimawandel nur ein Vehikel für den Sozialismus ist (z.B. hier: The Nation (2011) Capitalism vs. the Climate).
2. Die #ExxonKnew Empörungswelle machte der US-Amerikanischen Öffentlichkeit klar, wie sehr sie jahrzehntelang vom größten Energiekonzern an der Nase herumführt worden waren: Die Klimaerwärmung stritt ExxonMobil mit großem Aufwand öffentlich ab. Gleichzeitig rechnete der Konzern sie bei seinen eigenen Investitionsplanungen heimlich schon mit ein.
3. Michael Tomasky schält nun mit „The Dangerous Election“ einen dritter Aspekt heraus: Die brutale Macht des klimaleugnenden Geldes über die Republikanische Partei.
Ich fasse hier die erste Hälfte seines Artikels vom März 16 in der New York Review of Books zusammen.

 Die Logik hinter Donald Trumps US-Präsidentschaftskandidatur und dem Elend der Republikaner
Tomasky beleuchtet den aktuellen US-Vorwahlkampf, der selbst etablierte Journalisten zum Staunen bringt. Wieso der elefantöse Trump? fragt er und antwortet: Es ist logisch, dass Trump  nach oben gespült wurde. Es ist das Ergebnis von Zwängen und der innerer Logik der Republikaner (der „GOP – Grand Old Party“).
So wie bei den Demokraten die soziale Gerechtigkeit seit Jahrzehnten das Kern-Anliegen ist, sind es bei den Republikanern „Werte und Dominanz des weißen Mannes“. Die Republikaner sind heute getrieben von der Angst vor Ausländern, die diese Werte nicht teilen. Sie haben Angst vor Muslimen, Mexikanern und anderen Latinos.
Trump bedient diese Kern-Angst gut: Muslime, Mexikaner und Konsorten deportieren! Hingegen sind Themen wie Steuern, Abtreibung, Irakkrieg eher zweitrangig. Man darf das nur nicht laut sagen. Trump tut es und rüttelt damit republikanische Dogmen und Tabus durcheinander. So beschuldigte er George W. Busch am 13. Februar 16, den Irakkrieg seinerzeit mit einer bewussten Lüge angezettelt zu haben. Dabei ist die Formulierung republikanisches Dogma, dass der Massenvernichtungswaffen-Vorwurf an den Irak nur ein bedauerliches Versehen der Geheimdienste war. Trump findet auch Clinton gut, und Obamas Gesundheitsversorgung.
Die Republikaner-Granden kriegen Gänsehaus.
Rechts von Trump wahlkämpft Ted Cruz. Noch schlimmer. Seine Partei“freunde“ halten ihn – kurz und ungeschminkt – für ein selbstsüchtiges, verlogenes Arschloch. Alle republikanischen Hoffnungen liegen auf Rubio.
Tomasky nennt drei Gründe, warum sich die Republikanische Partei in diesem Zustand befindet und wie Trump in einem Wut-Strudel nach oben gespült werden konnte:
1. Die Partei hat in den konservativen Medien seit Jahre nur Anti-Obama-Wutschaum verspritzt; im Radio, im Fox-Fernsehen und in unzählige Blogs, Webseiten, in Twitter- und Instagram-Kanälen. Aber eine Vision für Amerika war nicht mehr erkennbar.
2. Die Koch-Brüder und andere Super-Reiche sind die Kandidaten-Macher der Republikaner.
„When one family and its allies control that much money, and those running want it spent supporting them …, what candidate is going to take a position counter to that family …? The Kochs are known, for example, to be implacably opposed to any recognition that man-made climate change is a real danger. So no Republican candidate will buck that. This extends, of course, to practically the whole of Capitol Hill. Not long ago, I talked with Democratic Senator Al Franken of Minnesota, who explained how the Republicans’ fear of facing a Koch-financed primary from the right, should they cast a suspicious vote on climate change, prevented them from acknowledging the scientific facts. And what percentage of them, I asked, do you think really accept those facts deep down? “Oh,” Franken said, “Ninety.” He explained that in committee hearings, for example, witnesses from the Department of Energy come to discuss the department’s renewable energy strategy, “and none of them challenge the need for this stuff.” 
„Wenn eine Familie und ihre Verbündeten über derartig viel Geld verfügen, und wenn man dieses Geld für seinen Wahlkampf aufgewendet haben möchte …, welcher Kandidat wird dann eine Position vertreten, die dieser Familie … widerspricht? So sind die Kochs z.B. dafür bekannt, unerbittlich gegen jede Anerkennung zu sein, dass der vom Menschen verursachten Klimawandel eine reale Gefahr ist. So wird kein Kandidat der Republikaner dem widersprechen. Dies umfasst praktisch den ganzen Capitol Hill. Vor nicht langer Zeit sprach ich mit dem demokratische Senator Al Franken aus Minnesota, der erklärte, wie sehr – sollten sie ein verdächtiges Abstimmungsverhalten beim Klimawandel erkennen lassen – die Angst vor einem Koch-finanziert Vorwahlkandidaten von rechts republikanische Kandidaten daran hinderte, die wissenschaftlichen Fakten anzuerkennen. „Und wie viel Prozent von ihnen“, fragte ich, „glauben Sie, akzeptieren diese Tatsachen tatsächlich, im Grunde ihres Herzens?“ –  „Oh,“ sagte Franken: „Neunzig.“ Er erklärte, dass beispielsweise in Ausschussanhörungen Zeugen des Department of Energy auftreten und die Erneuerbare-Energien-Strategie ihrer Abteilung  diskutieren, „und keiner der Republikaner bestreitet die Notwendigkeit, dieses Thema zu diskutieren.“
Kurzgefasst: Die Kochs sind gegen jegliches Eingeständnis, dass Klimawandel eine Gefahr darstellen könnte. Kein republikanischer Kandidat wird widersprechen. Er müsste fürchten, dass bei den Vorwahlen plötzlich ein besser gesponserter Gegenkandidat auftaucht.
3. Verlorene Vorwahlen läuten oft das Ende von Politikerkarriere ein. Dies ist der dritte Faktor, der die Republikaner heute formt.
Für die Republikaner kommt aller politischer Druck von Rechts, und ausschließlich von rechts. In der Mitte gibt es nicht viel zu gewinnen, hier ist auch nicht das große Geld.
Bei den Demokraten ist dies nicht spiegelgleich, denn es gibt keine analoge Gruppe von links denkenden Multimilliardären, die Gegenkandidaten von weiter links finanzieren würden.
Michael Tomasky (MARCH 24, 2016): The Dangerous Election. In: New York Review of Books (NYRB)

Die New York Review of Books (NYRB) brachte weitere Veröffentlichungen über die Koch-Brüder, zum Beispiel Bill McKibben (MARCH 10, 2016): The Koch Brothers’ New Brand
Dieser Beitrag beleuchtet stärker ihre Psychologie und Machtausübung.

[16] Klimagefahr abwehren: Wir können mehr

2017 war ein Vorgeschmack. Die Hurrikane Irma und Harvey wüteten in Karibik und den Südstaaten der USA, Brände fraßen sich durch Wälder und Weinberge in Portugal und Kalifornien, tagelanger Dauerregen flutete die Straßen in meiner Berliner Nachbarschaft, ein verfrühter Herbssturm „Sebastian“ warf Bäume auf Autos, und Orte im Schwarzwald kämpften mit Überflutungen. Auch der klirrende Frost in Kanada und den nördlichen USA, während eine eisige Springflut aus dem steigenden Atlantik Teile Bostons überschwemmte, deuten auf ein immer chaotischeres Klima hin. Die Klimakrise wächst zur größten Umweltbedrohung heran.

Doch wir sind nicht machtlos. Wie ich in den vorangegangenen Beiträgen beschrieben habe, ist Ingenieuren und Wissenschaftlern schon einiges eingefallen. Die wichtigsten technischen Lösungen stehen bereit. Es kommt nun darauf an, diese Lösungen gut einzusetzen.

Kohleausstieg Berlin, Ende Gelände, Klima-Allianz, Fossil Free Deutschland, Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit – immer mehr Organisationen und Menschen ringen genau darum, die Lösungen gut einzusetzen und die Klimabedrohung abzuwenden.

Die Beiträge in diesem Kapitel werden nach und nach entstehen: Möglichkeiten für Jede und Jeden, aktiv zu werden.